Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

§ 42. Die Weltdiaspora 
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gleich die Männer seines Zeichens und sprach sie an, so daß er leicht 
einen Broterwerb für sich und seine Familie zu finden vermochte«. 
Den Höhepunkt des Sabbatgottesdienstes bildete die Vorlesung aus 
der Heiligen Schrift und die darauf folgende sittliche Belehrung 
oder Predigt. Daher kennzeichnet auch Philo die Synagogen als 
»Schulen der Wissenschaft«. Die Sprache aber, in der man in diesen 
Schulen betete und sich unterweisen ließ, war zumeist nicht mehr 
die alte nationale Sprache, sondern die der Septuaginta, das Grie 
chische. Wäre den Bekennern des Judaismus die Abneigung gegen 
das Heidentum nicht sozusagen angeboren gewesen und hätten sie 
in ihrer Selbstverwaltung nicht eine feste Schutzwehr gehabt, so hät 
ten sie nach Preisgabe ihrer nationalen Sprache den Assimilations 
einflüssen ihrer Umgebung wohl kaum widerstehen können. 
Einen Ausläufer der sich immer weiter ausbreitenden jüdischen 
Kolonie Ägyptens bildete das jüdische Zentrum in der angrenzenden 
Kyrenaika, dem östlichen Teil der Provinz Lybien, mit den beiden 
Hauptgemeinden in den Städten Kyrene und Berenike. Im I. Jahr 
hundert vor der christl. Ära besaßen dort die Juden ihre eigenen 
Archonten und Richter und stellten, wie Strabo berichtet, neben den 
Bürgern, Ackerbauern und Fremden eine besondere Bevölkerungs 
klasse dar. Auch in der Kyrenaika wurden die von der römischen Re 
gierung begünstigten jüdischen Einwohner von der griechischen Be 
völkerung angefeindet, so daß Kaiser Augustus ihre Autonomie und 
namentlich ihr Recht, Spenden für den Jerusalemer Tempel zu sam 
meln, durch ein besonderes Edikt bestätigen mußte. 
Den gleichen Schutz, den die römische Regierung den Juden im 
ehemaligen Ptolemäerreich angedeihen ließ, gewährte sie auch den 
im einstigen Herrschaftsbereich der Seleuziden verstreuten jüdischen 
Kolonien. Während unter diesen Königen die jüdischen Gemeinden 
gegen die Willkür der griechischen Stadträte völlig machtlos ge 
wesen waren, hatte ihr Kampf um Bürgerrecht und Autonomie unter 
der römischen Herrschaft vielfach Erfolg. So wurden mehreren 
Gemeinden in Kleinasien und auf den Inseln des Ägäischen Meeres 
unter Julius Caesar verschiedene Freiheiten und Rechte zugesichert, 
namentlich die von den Griechen bekämpfte Freiheit des Kultes. 
Bezeichnend hierfür ist der folgende, etwa um das Jahr 46 ergangene 
Erlaß: »Gajus Julius, Praetor und Konsul der Römer, an den Ma 
gistrat, den Senat und das Volk von Paros. Die Juden haben ange 
zeigt, daß ihr durch Verordnungen sie hindert, ihre althergebrachten 
Gebräuche und ihren Gottesdienst zu vollziehen. Es hat mein Miß
	        
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