Das römische Protektorat (63 vor der christl. bis 6 der christl. Ära)
280
Durch seine Kulturpolitik hatte es Herodes erreicht, daß er bei
der »großen Welt« im Rufe eines freigebigen und aufgeklärten
Hellenenfreundes stand. Offiziell galt er als »verbündeter König
und Freund des römischen Volkes«, d. i. als halb unabhängiger
Vasall Roms. Seine Abhängigkeit äußerte sich darin, daß seine
Nachfolger den Königstitel nur aus den Händen des römischen Im
perators erhalten konnten, daß er ohne dessen Zustimmung weder
Kriege führen noch Bündnisse eingehen durfte und im Kriegsfälle
den Römern Hilfstruppen stellen mußte. Auf der anderen Seite
besaß er aber seinen eigenen Untertanen gegenüber uneingeschränkte
Steuerhoheit und es stand ihm frei, sein aus Thraziern, Germanen
und Galliern bestehendes Söldnerheer im Innern des Landes nach
Belieben zu verwenden. Sowohl Augustus als auch dessen Mitregent
Markus Agrippa brachten Herodes, der wiederholt nach Rom kam,
größtes Wohlwollen entgegen. Über die ihm nach der Schlacht bei
Actium zugesprochenen Gebietsteile hinaus schenkte ihm der Kaiser
einige Jahre später die transjordanischen Landschaften Trachonitis,
Batanäa (Basan) und Auranitis (Hauran); den Bruder des Herodes,
Pheroras, machte er zum Tetrarchen des mittleren und südlichen
Teils von Transjördanien, der fortan Per'da hieß. Noch nie waren
die Grenzen Judäas so weit gesteckt gewesen. Aber auch die jüdi
schen Kolonien in den griechischen Städten Syriens und Kleinasiens
ließ Herodes nicht außer Acht und erwirkte für sie bei Augustus
verschiedene Freiheiten und Rechte.
Bei alledem zeigte die Politik des Herodes das Doppelantlitz eines
Janus: während er Rom untertänig zulächelte, hatte er für sein
eigenes Volk nur böse und düstere Blicke. Wußte er doch nur zu
gut, daß im ganzen Lande größte Unzufriedenheit herrschte. Die
kostspieligen Neubauten und die vom König eingeführten Wettspiele
verschlangen ungeheure Geldsummen, die der Bevölkerung in Form
von Steuern abgepreßt wurden. Hinzu kam, daß die Gladiatoren
kämpfe, bei denen Menschen zur Belustigung anderer Menschen
wilden Tieren vorgeworfen wurden, dem sittlichen Empfinden des
Volkes widersprachen, und die Begünstigung der heidnischen Kulte
seine religiösen Gefühle verletzte. Eine offene Verhöhnung der reli
giösen und nationalen Traditionen des Volkes bedeutete der Befehl
des Herodes, am Haupteingang des Tempels einen riesigen goldenen
Adler, das Sinnbild der römischen Kriegsmacht, anzubringen.
Wohl am aufreizendsten aber wirkte das Verhalten des Königs,
der sich rühmte, den Hellenen näher zu stehen als den Juden, zu