Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Das unabhängige Judäa unter den Hasmonäern 
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Pharisäer, diese Legisten des alten Judäa, stets als die maßgebenden 
Gesetzesausleger an. Waren die Sadduzäer in der Außenpolitik aus 
schlaggebend, so gewannen die Pharisäer umso größeren Einfluß auf 
das innere Leben des Volkes und auf seine geistige Kultur. 
Während nun die Sadduzäer der Religion nur einen schmalen 
Winkel im Staatsleben einräumten und die Pharisäer Religiosität und 
Staatlichkeit zu einer unlösbaren Einheit zu verbinden suchten, ent 
stand gegen Ende der Hasmonäerepoche als Reaktion gegen den 
politischen und kulturellen Parteienkampf eine dritte, apolitische 
Organisation, eine Sekte, deren mystisch eingestellte Anhänger, durch 
die stürmischen Zeitereignisse zutiefst aufgewühlt, die Staatlichkeit 
als solche verdammten und ganz von dem individualitischen Streben 
nach Erlösung der Seele erfüllt waren. Diese Sektierer, die sich 
Essäer (wohl vom aramäischen »Chassaio«, d. i. »Chassidäer«) nann 
ten und deren Zahl selbst in der Zeit der höchsten Blüte der Sekte, 
im i. Jahrhundert der christlichen Ära, 4000 nicht überstieg, hatten 
das Ideal der alten »Nasiräer« (oben, § 10) zu neuem Leben erweckt. 
Sie verwarfen nicht nur das Leben der Städter, sondern auch die 
Städte selbst, die ihnen als Brutstätten des Lasters erschienen, und 
lebten in abgesonderten Gemeinden oder Brüderschaften, vornehm 
lich im Steppengebiet am Toten Meere. Die Organisation der Essäer, 
die eine Art Mönchsorden darstellte, war auf dem Prinzip strengster 
Unterordnung aller Mitglieder unter die Häupter oder »Ältesten« 
der Brüderschaft aufgebaut. Voraussetzung für die Aufnahme in die 
Sekte war ein dreijähriges Noviziat. Das soziale Leben der Sektierer 
war nach kommunistischen Prinzipien eingerichtet. Unter den Mit 
gliedern der Essäergemeinde gab es weder Reiche noch Arme. Jedes 
Mitglied lieferte seine gesamten Einkünfte an die Gemeindekasse ab, 
aus der der Unterhalt der Brüderheime sowie die Ausgaben für die 
gemeinsamen Mahlzeiten und die Kleidung bestritten wurden. Alle 
Ordensbrüder hatten die gleiche einfache Tracht aus weißem Stoff. 
Jeder mußte durch körperliche Arbeit zum gemeinsamen Lebens 
unterhalt beitragen. Dienstboten oder Sklaven gab es in der Ge 
meinde nicht. Die Essäer trieben vorwiegend Ackerbau und Hand 
werk, wohingegen ihnen der Handel als eine die Habsucht fördernde 
Betätigungsart untersagt war. Verboten war aus Gründen der Men 
schenliebe auch die Anfertigung von Waffen. Die Mehrzahl der 
Essäer entsagte der Ehe, und auch diejenigen, die das nicht taten, 
hielten das eheliche Leben für sündhaft und ließen es nur um der 
Kinderzeugung willen gelten.
	        
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