Das unabhängige Judäa unter den Hasmonäern
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Jahresfesten in die Heilige Stadt. Der Tempel des Onias sollte mehr
als zwei Jahrhunderte fortbestehen und sogar sein Jerusalemer Vor
bild überdauern.
Die staatsbürgerlichen Verhältnisse der Juden in Ägypten waren
so günstig, daß Judäa selbst nach Erlangung seiner Unabhängigkeit
nur geringe Anziehungskraft auf sie ausübte. Besonders geborgen
fühlten sie sich in Alexandrien, dem damaligen »Knoten der Erde«,
an dessen Welthandel sie regsten Anteil nahmen. Über die bürger
liche Gleichberechtigung hinaus besaßen die alexandrinischen Juden
auch noch eine autonome Verfassung: an der Spitze ihrer Gemeinde
stand ein Ethnarch, der mit weitgehenden administrativen und ge
richtlichen Vollmachten ausgestattet war. Nur einmal in dieser
ganzen Zeit, während des zwischen der Witwe Ptolemäus’ VI.,
Kleopatra, und seinem Bruder, dem künftigen König Ptolemäus VII.
(145—130), entbrannten Erbfolgestreites, schwebten die Juden von
Alexandrien in ernstlicher Gefahr. Da sich nämlich ihre Sympathien
der Kleopatra zuneigten, deren Truppen von einem Juden befehligt
wurden, sann der darüber erzürnte Rivale der Königin auf furcht
bare Rache. Auf seinen Befehl wurde eine Menge jüdischer Bürger
mit Weib und Kind auf einen Stadtplatz getrieben und eine wütende
Elephantenherde gegen sie losgelassen. Der Sage zufolge geschah
aber ein Wunder, und die Wut der gehetzten Tiere wandte sich
gegen ihre Treiber. Indessen waren die Juden auch in diesem Falle
nicht als Juden, sondern als politische Gegner der Verfolgung aus
gesetzt. Darum nahm Ptolemäus VII., sobald seine Herrschaft ge
sichert war, die judenfreundliche Politik seiner Vorgänger wieder
auf, und auch seine Nachfolger hielten an ihr fest. Unter Kleo
patra III. waren es, wie erinnerlich, die jüdischen Feldherren Chelkia
und Chananja, Söhne des Priesters Onias, die Alexander-Jannäus
aus seiner schwierigen Lage befreiten und den Anschlag auf die Un
abhängigkeit Judäas vereitelten (oben, § 33).
Während nun innerhalb der jüdischen Bevölkerung der Diaspora
die Annäherung an die Griechen kaum Bedenken hervorrief, führte
sie in Judäa zu einer weiteren Vertiefung des Zwiespaltes zwi
schen den beiden politischen Parteien der Sadduzäer und Pharisäer
(oben, § 32). Die vorwiegend sadduzäisch gesinnten Hasmonäer-
herrscher begünstigten nur zu gern die gegenseitige kulturelle An
näherung der verschiedenen Bevölkerungsteile, während die Phari
säer sich alle Mühe gaben, gegen den mächtigen Anprall der heid
nischen Kultur einen unzerstörbaren Damm in Form einer religiösen