Das babylonische Exil und die persische Herrschaft ($86—392)
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nung auf die baldige nationale Wiedergeburt Judäas (Kap. 60—62).
Die Zeit der Freiheit und des Friedens war noch nicht angebrochen.
Der Anwärter auf den verwaisten Thron Davids, Serubabel, soll
sich, wie ein späterer Bericht meldet, nach Vollendung des Tempel
baues wieder nach Babylonien zurückgezogen haben. Es mag sein,
daß er seiner Unabhängigkeitsbestrebungen wegen von den persischen
Machthabern des Landes verwiesen worden ist. Möglich ist es aber
auch, daß er dem innerjüdischen Parteistreit zum Opfer fiel. Die
Oberhand in diesem Streit behielt jedenfalls infolge der damals im
Volke vorherrschenden theokratischen Tendenzen die Priesterpartei,
und zum Oberhaupt der Jerusalemer Gemeinde wurde nach dem
Tode Josua ben Jozadoks dessen Sohn Jojakim.
Die weitere Geschichte Judäas in der Regierungszeit des Darius
und seines Nachfolgers Xerxes I. (485—465) ist in fast undurch
dringliches Dunkel gehüllt. Über die Lage der Juden im Inneren
Persiens in dieser geschichtlich so bedeutsamen Zeit der griechisch
persischen Kriege gewährt uns lediglich das viel später entstandene
»Buch Esther« (unten, § 22) einigen Aufschluß.
21. Die zweite Restauration (500—420)
Die Restauration, die von Serubabel und Josua inauguriert wor
den war, bedeutete nur den ersten Schritt auf dem Wege zur natio
nalen Wiedergeburt Judäas. Mit der Wiederherstellung des religiösen
Zentrums in Jerusalem waren die dem neuen Gemeinwesen drohen
den äußeren und inneren Gefahren noch keineswegs gebannt. Die
Selbstverwaltung, die dank dem in Persien vorherrschenden Prinzip
der Dezentralisation leicht hätte weiter ausgebaut werden können,
drohte zu einer Oligarchie, zur Flerrschaft eines kleinen Kreises von
vornehmen und reichen Familien mit dem Priesteradel an der Spitze
zu erstarren. Wie in der vorexilischen Zeit, traten jetzt die sozialen
Gegensätze erneut kraß zutage. Das kleine Häuflein der Vermögen
den bedrückte die große Masse der Besitzlosen. Um die ihnen einer
seits von den persischen Behörden, andererseits von der Priesterschaft
auf erlegten Geld- und Naturalabgaben aufzubringen, sahen sich die
Landleute, besonders in den Jahren der Mißernte, häufig genötigt,
ihre Äcker, Weinberge und Häuser bei den Reichen zu verpfänden,
die dann, die Notlage ihrer Schuldner ausnützend, deren Besitz an
sich rissen.