Das Reich Juda unter der Oberhoheit Assyriens und Babyloniens (720—586)
den er bei der Genesung von einer schweren Krankheit gesprochen
haben soll und der vielleicht in der Tat von einem zeitgenössischen
Dichter aus diesem Anlaß verfaßt worden ist. Aus dem Schlußsatz
dieses Psalms: »Jahve half mir, so wollen wir Saitenspiel spielen,
solange wir leben im Hause Jahves« (Jesaja 38, 20) ist jedenfalls
zu ersehen, daß wir hier eine der im »Hause Jahves«, d. h. im Jeru
salemer Tempel, und zwar im Chor, vorgetragenen Hymnen vor uns
haben. Einen weiteren Beitrag dieser Zeit zum nationalen Schrift
tum bildeten die von einem Kreis gebildeter Hofleute, den soge
nannten »Männern Hiskias«, gesammelten oder verfaßten, jedoch
den Weisen der Vorzeit, namentlich dem König Salomo zugeschrie
benen Sprüche und Parabeln, in denen die Lebensweisheit des Volkes
beredten Ausdruck fand (unten, §25).
Nach dem Tode Hiskias und der Thronbesteigung seines minder
jährigen Sohnes Manasse (690—640) setzte eine Periode der Gegen
reform ein. Die Prophetenpartei, die dem Reformwerk Hiskias so
hohen Schwung verliehen hatte, wurde von Parteigängern der anti
nationalen Politik Ahas’, des Großvaters Manasses, wieder in den
Hintergrund gedrängt. Der politische Umschwung äußerte sich vor
allem in der Gefügigkeit Judas Assyrien gegenüber. Die Assyrer, die
sich seit der über das Heer Sanheribs hereingebrochenen Katastrophe
in Palästina nicht mehr hatten sehen lassen, stürmten unter dem
Nachfolger Sanheribs, Asarhaddon (680—668), erneut gegen die
Grenzen Ägyptens an. In endlosem Zuge strömten die assyrischen
Heerscharen durch Palästina, und die palästinensischen Fürsten muß
ten dem Weltgebieter Tribut darbringen, vielleicht auch Hilfstrup
pen stellen. In einer sich auf das Jahr 673 beziehenden assyrischen
Inschrift wird unter den Asarhaddon gefügigen Königen auch »Me-
nasie sar Jaudi«, d. h. Manasse, König von Juda, erwähnt. Nach
einem langwierigen Kriege gelang es Asarhaddon schließlich, die
Ägypter zu bezwingen, und seine Herrschaft erstreckte sich nun
mehr von den Ufern des Tigris bis zu den Ufern des Nils.
Alle Hoffnungen, die die antiassyrische Partei in Juda auf Ägyp
ten gesetzt hatte, waren nun gescheitert, und das Land geriet ganz
unter den politischen und kulturellen Einfluß Assyriens. Dieser Tri
umph der heidnischen Gewalt erschütterte in den Augen vieler Ju-
däer den Glauben an die Allmacht Jahves. Zugleich verstärkte sich
die Mißstimmung der Landleute (»am ha’arez«), die mit der Be
schränkung des Opferdienstes auf den Tempel der Hauptstadt schon
längst unzufrieden waren. Dieser Volksstimmung Rechnung tragend,