Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Das Reich Juda unter der Oberhoheit Assyriens und Babyloniens (720—586) 
den er bei der Genesung von einer schweren Krankheit gesprochen 
haben soll und der vielleicht in der Tat von einem zeitgenössischen 
Dichter aus diesem Anlaß verfaßt worden ist. Aus dem Schlußsatz 
dieses Psalms: »Jahve half mir, so wollen wir Saitenspiel spielen, 
solange wir leben im Hause Jahves« (Jesaja 38, 20) ist jedenfalls 
zu ersehen, daß wir hier eine der im »Hause Jahves«, d. h. im Jeru 
salemer Tempel, und zwar im Chor, vorgetragenen Hymnen vor uns 
haben. Einen weiteren Beitrag dieser Zeit zum nationalen Schrift 
tum bildeten die von einem Kreis gebildeter Hofleute, den soge 
nannten »Männern Hiskias«, gesammelten oder verfaßten, jedoch 
den Weisen der Vorzeit, namentlich dem König Salomo zugeschrie 
benen Sprüche und Parabeln, in denen die Lebensweisheit des Volkes 
beredten Ausdruck fand (unten, §25). 
Nach dem Tode Hiskias und der Thronbesteigung seines minder 
jährigen Sohnes Manasse (690—640) setzte eine Periode der Gegen 
reform ein. Die Prophetenpartei, die dem Reformwerk Hiskias so 
hohen Schwung verliehen hatte, wurde von Parteigängern der anti 
nationalen Politik Ahas’, des Großvaters Manasses, wieder in den 
Hintergrund gedrängt. Der politische Umschwung äußerte sich vor 
allem in der Gefügigkeit Judas Assyrien gegenüber. Die Assyrer, die 
sich seit der über das Heer Sanheribs hereingebrochenen Katastrophe 
in Palästina nicht mehr hatten sehen lassen, stürmten unter dem 
Nachfolger Sanheribs, Asarhaddon (680—668), erneut gegen die 
Grenzen Ägyptens an. In endlosem Zuge strömten die assyrischen 
Heerscharen durch Palästina, und die palästinensischen Fürsten muß 
ten dem Weltgebieter Tribut darbringen, vielleicht auch Hilfstrup 
pen stellen. In einer sich auf das Jahr 673 beziehenden assyrischen 
Inschrift wird unter den Asarhaddon gefügigen Königen auch »Me- 
nasie sar Jaudi«, d. h. Manasse, König von Juda, erwähnt. Nach 
einem langwierigen Kriege gelang es Asarhaddon schließlich, die 
Ägypter zu bezwingen, und seine Herrschaft erstreckte sich nun 
mehr von den Ufern des Tigris bis zu den Ufern des Nils. 
Alle Hoffnungen, die die antiassyrische Partei in Juda auf Ägyp 
ten gesetzt hatte, waren nun gescheitert, und das Land geriet ganz 
unter den politischen und kulturellen Einfluß Assyriens. Dieser Tri 
umph der heidnischen Gewalt erschütterte in den Augen vieler Ju- 
däer den Glauben an die Allmacht Jahves. Zugleich verstärkte sich 
die Mißstimmung der Landleute (»am ha’arez«), die mit der Be 
schränkung des Opferdienstes auf den Tempel der Hauptstadt schon 
längst unzufrieden waren. Dieser Volksstimmung Rechnung tragend,
	        
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