Das Zeitalter der Kreuzzüge (1096—1215)
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ner. Durch die Erfahrungen des Jahres 1096 gewitzigt, ergriffen in
dessen die jüdischen Gemeinden diesmal wirksame Vorbeugungsmaß
nahmen: durch riesige Geldsummen erkauften sie von den weltlichen
und geistlichen Feudalherren das Recht, im Notfälle auf deren festen
Burgen Schutz zu suchen. Auch Konrad III. selbst gewährte den Ju
den in der Burg von Nürnberg sowie in anderen Festungen sichere
Unterkunft. Außerhalb der festen Plätze war allerdings nach wie
vor kein Jude seines Lebens sicher. Wie früher seinem Landsmann
Peter von Cluny, so trat Bernhard von Clairvaux nunmehr dem
Mönch Rudolf aufs entschiedenste entgegen und stellte diesen bei
einer Begegnung zu Mainz auch persönlich zur Rede. Die Leiden
schaften des Volkes waren aber bereits entfesselt, und selbst die Er
mahnungen Bernhards, der höchsten kirchlichen Autorität jener Zeit,
konnten es nicht zur Vernunft bringen. Im Februar 1147 überfiel
eine Kreuzfahrerhorde die jüdische Bevölkerung von Würzburg und
erschlug etwa zwanzig Juden, darunter den sanften, menschenfreund
lichen Rabbiner Isaak ben Eliakim, der gerade in dem Augenblick
vom Tode ereilt wurde, als er in das Lesen eines heiligen Buches ver
tieft war. Wenige Monate später sprangen die Funken des Judenhas
ses auf Frankreich über, wo das geistliche Oberhaupt der französischen
Judenheit, der hochberühmte Jakob Tarn (unten, § 13) bei den anti
jüdischen Ausschreitungen in der Stadt Rameru nur dank einem
glücklichen Zufall dem Los des Würzburger Rabbiners entging. Die
Unholde brachen in sein Haus ein, plünderten es und brachten dem
gelehrten Mann lebensgefährliche Wunden bei. »Du bist groß in Is
rael — sprachen sie — darum gilt es, die Martern des Gekreuzigten
an dir zu rächen«. Ein vorbeiziehender Ritter entriß jedoch Rabbi
Tarn seinen Peinigern unter dem Vorwand, ihn zum Christentum
bekehren zu wollen. Erst nachdem das vereinigte französisch-deutsche
Kreuzfahrerheer weiter gezogen war, konnten die Juden wieder frei
aufatmen und zu ihrr gewohnten Lebensweise zurückkehren (August
IX 4 7)-
§ 12. Die Folgen der Kreuzzüge in Frankreich, England und
Deutschland
Zu der Zeit, da die Katastrophe der Kreuzzüge über die Juden
heit Mitteleuropas hereinbrach, gehörten die Juden in Frankreich zu
den maßgeblichen Faktoren des dortigen Wirtschaftslebens in all sei