Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

§ $8. Die Übergangszeit in Deutschland (i6jo—1789) 
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sen bestimmten erbaulichen Werke dem oft von Schlüpfrigkeiten 
nicht freien nichtjüdischen Volksschrifttum als Vorbild entgegenzu 
halten. 
Ebenso wie im nachmaligen Bayern, bestand auch im nachmaligen 
Baden eine jüdische Enklave, und zwar in der Kurpfalz, dem Herr 
schaftsbereich der mit der Kurwürde belehnten Pfalzgrafen. In deren 
Residenz Heidelberg sowie in Mannheim, Oppenheim und manch 
anderer kurpfälzischen Stadt siedelten kleinere und größere Gruppen 
von jüdischen Familien, denen unbefristetes Wohnrecht zuerkannt 
war. Einen besonders raschen Aufschwung nahm die Gemeinde von 
Mannheim, der Stadt am Rhein, für deren Aufstieg als Binnenhafen 
platz die dort ansässigen Aschkenasim und Sephardim nicht weniger 
leisteten als die Hugenotten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts beher 
bergte Mannheim rund tausend jüdische Familien und genoß dank 
seiner Talmudakademie gleich Fürth den Ruf eines »Neuen Jerusa 
lem«. In Heidelberg hatten die Juden sowohl unter dem Konkurrenz 
neid der Kleinbürger als auch unter Ausschreitungen der akademi 
schen Jugend zu leiden, doch wurde dort wie in der ganzen Kurpfalz 
mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Karl Theodor (1742 bis 
1799), eines markanten Vertreters des »aufgeklärten Absolutismus«, 
ihre Lage viel gesicherter. In dieser Zeit entstand auch in Karlsruhe, 
der künftigen Hauptstadt des Großherzogtums Baden, eine neue zu 
kunftsreiche Gemeinde. 
Aus Heidelberg und Mannheim fanden einige kapitalkräftige 
Juden den Weg nach Stuttgart, der Hauptstadt des benachbarten 
Württemberg, wo Herzog Karl Alexander (1733—1737), ohne die 
im Schwabenlande herrschenden Vorurteile zu beachten, einen jüdi 
schen Finanzberater, Joseph Süß Oppenheimer, an seinen Hof gezo 
gen hatte. Joseph Süß war in Heidelberg als Sohn eines mit der Ein 
treibung der Judensteuern betrauten Geldmannes geboren und mit 
dem Wiener Finanzmagnaten Samuel Oppenheimer verwandt. Er 
fand früh Gelegenheit, sich in der Pfalz und in Hessen als Zollpäch 
ter, Hoflieferant und »Münzmeister« zu bewähren. So gewann er die 
persönliche Zuneigung Karl Alexanders und setzte nach dessen Re 
gierungsantritt eine durchgreifende Reform der gesamten Staatsfinan 
zen ins Werk: er monopolisierte Vertrieb und Produktion von Salz, 
Wein, Tabak usw., gab diese neuen Regalien Privatunternehmern, 
darunter manchem Juden, in Pacht und förderte Industrie und Bank 
wesen. Dadurch zog sich »Jud Süß«, wie der jüdische Freund des Her 
zogs im Volke genannt wurde, die leicht erklärliche Feindschaft der nie
	        
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