Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

§ 5?. Die Übergangszeit in Österreich (1648—1780) 
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mit dem Plan, eine Judenverfolgung in legaler Form in die Wege zu 
leiten. 
Die Protestanten Ungarns hatten sich bei Leopold darüber be 
klagt, daß sie unter Religionsverfolgungen zu leiden hätten, während 
die »schlimmsten Feinde des Kreuzes«, die Juden, mitten in der 
Reichshauptstadt in ihren Synagogen »den Heiland lästerten«. Die 
Tatsache, daß in Wien eine »Judenstadt« bestand, erschien auch der 
aus dem »judenreinen« Spanien stammenden jungen Kaiserin als un 
erhörte Blasphemie. Auf ihr Betreiben setzte nun der Kaiser einen 
Ausschuß ein, der die Frage entscheiden sollte, ob es nicht geboten 
sei, auch die Hauptstadt Österreichs von den Juden zu säubern; be 
zeichnenderweise hieß dieser Ausschuß »Judeninquisitionskommis 
sion« (1669). Sein Gutachten entsprach vollauf dieser seiner amtli 
chen Bezeichnung. Unter ausdrücklichem Hinweis auf das von Spa 
nien gegebene Beispiel sowie auf die angebliche »Verbannung« der 
Juden aus Polen (gemeint war die Massenflucht der polnischen Juden 
nach dem ukrainischen Gemetzel) empfahlen die »Inquisitoren«, die 
politisch unzuverlässigen und die Bürgerschaft nur schädigenden 
»Erzfeinde des Christentums« ohne Säumen des Landes zu verweisen. 
Der Wiener Magistrat erklärte sich bereit, die 10.000 Gulden, die die 
»vermaledeite Judenschaft« alljährlich an »Schutzgeldern« abführte, 
aus eigenen Mitteln zu ersetzen, und betonte zugleich, daß es eine 
Ungeheuerlichkeit wäre, die 200.000 christlichen Bürger Wiens den 
3 oco dort ansässigen Juden auszuliefern. Der Kaiser ließ sich leicht 
überzeugen und schritt zur Tat. Zunächst wurden die weniger bemit 
telten, d. h. d,ie weniger einträglichen Juden, darunter die Steuer 
freiheit genießenden Rabbiner und Gelehrten, »fortgeschafft« (ins 
gesamt 1600 Personen). Nicht so glatt ging die Ausweisung der wohl 
habenden Gemeindemitglieder vonstatten. In einer dem Kaiser un 
terbreiteten Bittschrift erinnerten sie an die Dienste, die sie dem 
Reiche während des Dreißigjährigen Krieges wie auch später geleistet 
hatten, und hoben insbesondere hervor, daß die jüdischen Kaufleute 
infolge ihrer Anspruchslosigkeit stets in der Lage gewesen seien, die 
Bevölkerung mit verbilligter Ware zu versorgen. Auch gelang es 
durch Vermittlung Manuel Texeiras, des jüdischen Vertrauensmannes 
der schwedischen Königin Christine (oben, § 50), diese dazu zu be 
wegen, zugunsten der österreichischen Juden Fürsprache einzulegen. 
Der bigotte Kaiser war jedoch Vernunftgründen nicht zugäng 
lich. Im Februar 1670 Unterzeichnete er einen Erlaß, demzufolge alle 
Juden ohne Ausnahme aus Wien und ganz Nieder- und Oberöster
	        
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