§ 5?. Die Übergangszeit in Österreich (1648—1780)
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mit dem Plan, eine Judenverfolgung in legaler Form in die Wege zu
leiten.
Die Protestanten Ungarns hatten sich bei Leopold darüber be
klagt, daß sie unter Religionsverfolgungen zu leiden hätten, während
die »schlimmsten Feinde des Kreuzes«, die Juden, mitten in der
Reichshauptstadt in ihren Synagogen »den Heiland lästerten«. Die
Tatsache, daß in Wien eine »Judenstadt« bestand, erschien auch der
aus dem »judenreinen« Spanien stammenden jungen Kaiserin als un
erhörte Blasphemie. Auf ihr Betreiben setzte nun der Kaiser einen
Ausschuß ein, der die Frage entscheiden sollte, ob es nicht geboten
sei, auch die Hauptstadt Österreichs von den Juden zu säubern; be
zeichnenderweise hieß dieser Ausschuß »Judeninquisitionskommis
sion« (1669). Sein Gutachten entsprach vollauf dieser seiner amtli
chen Bezeichnung. Unter ausdrücklichem Hinweis auf das von Spa
nien gegebene Beispiel sowie auf die angebliche »Verbannung« der
Juden aus Polen (gemeint war die Massenflucht der polnischen Juden
nach dem ukrainischen Gemetzel) empfahlen die »Inquisitoren«, die
politisch unzuverlässigen und die Bürgerschaft nur schädigenden
»Erzfeinde des Christentums« ohne Säumen des Landes zu verweisen.
Der Wiener Magistrat erklärte sich bereit, die 10.000 Gulden, die die
»vermaledeite Judenschaft« alljährlich an »Schutzgeldern« abführte,
aus eigenen Mitteln zu ersetzen, und betonte zugleich, daß es eine
Ungeheuerlichkeit wäre, die 200.000 christlichen Bürger Wiens den
3 oco dort ansässigen Juden auszuliefern. Der Kaiser ließ sich leicht
überzeugen und schritt zur Tat. Zunächst wurden die weniger bemit
telten, d. h. d,ie weniger einträglichen Juden, darunter die Steuer
freiheit genießenden Rabbiner und Gelehrten, »fortgeschafft« (ins
gesamt 1600 Personen). Nicht so glatt ging die Ausweisung der wohl
habenden Gemeindemitglieder vonstatten. In einer dem Kaiser un
terbreiteten Bittschrift erinnerten sie an die Dienste, die sie dem
Reiche während des Dreißigjährigen Krieges wie auch später geleistet
hatten, und hoben insbesondere hervor, daß die jüdischen Kaufleute
infolge ihrer Anspruchslosigkeit stets in der Lage gewesen seien, die
Bevölkerung mit verbilligter Ware zu versorgen. Auch gelang es
durch Vermittlung Manuel Texeiras, des jüdischen Vertrauensmannes
der schwedischen Königin Christine (oben, § 50), diese dazu zu be
wegen, zugunsten der österreichischen Juden Fürsprache einzulegen.
Der bigotte Kaiser war jedoch Vernunftgründen nicht zugäng
lich. Im Februar 1670 Unterzeichnete er einen Erlaß, demzufolge alle
Juden ohne Ausnahme aus Wien und ganz Nieder- und Oberöster