Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

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Drittes Kapitel 
Österreich und Deutschland bis zum Ende 
des 18. Jahrhunderts 
§ 57. Die Übergangszeit in Österreich (1648—1780) 
Die jüdische Bevölkerung des Habsburgerreiches rangierte ihrer 
zahlenmäßigen Stärke nach gleich hinter der Judenheit Polens. In 
Böhmen, Mähren und Schlesien sowie auch in Ungarn hatten sich 
nach und nach kompakte jüdische Massen angesammelt und die Ju 
den waren es, die in dem alle diese Provinzen verbindenden Kreislauf 
des Handels die treibende Kraft bildeten. Als jedoch im Jahre 1648, 
dem letzten des Dreißigjährigen Krieges (oben, § 43), die über die 
Ukraine hereingebrochene Katastrophe zur Folge hatte, daß neue 
Massen von Juden aus Polen nach den österreichischen Ländern zu 
strömen begannen, gewann in dem nach den Religionskriegen zum 
Hort des Katholizismus gewordenen Habsburgerreiche immer mehr 
die Ansicht an Boden, daß ein weiterer Zuzug nicht mehr erwünscht 
sei. Am schärfsten trat die judenfeindliche Stimmung in Wien zutage, 
wo der relative Wohlstand der jüdischen Gemeinde, von deren Mit 
gliedern sich viele mit größtem Erfolg im Außenhandel betätigten, 
auf den engherzigen Magistrat von jeher aufreizend wirkte. Nach 
der Thronbesteigung des Jesuitenzöglings Leopold I. (1657—1705) 
spitzte sich die Lage immer mehr zu. Der 1664 ausgebrochene Krieg 
mit der Türkei wurde zum Anlaß genommen, die Juden'des gehei 
men Einvernehmens mit dem Feinde zu beschuldigen, und unter dem 
Volke wurden Flugblätter verteilt, die die »jüdischen Missetaten« in 
Wort und Bild schilderten. Nachdem es an manchen Orten Nieder 
österreichs zu Ausschreitungen gekommen war, ließ zwar die »Hof 
kammer«, das österreichische Finanzministerium, die Hetzliteratur 
beschlagnahmen, doch trug sich der Kaiser damals wohl selbst schon
	        
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