Die Hegemonie der Aschkenasim
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Gleich nach dem Fall Ofens kam es zur Vertreibung aller Juden aus
Ödenburg und Preßburg, und die Heimatlosen begaben sich unter
den Schutz von Magnaten aus der Nachbarschaft. Als weiterer Vor
wand für die Ausweisung der Juden wurden hie und da Ritual
mordprozesse in Szene gesetzt. Im Jahre 1529 wurden in der Stadt
Pösing nicht weniger als 30 Juden, Männer und Frauen, der Blut
lüge geopfert; die minderjährigen Kinder der Verbrannten fielen der
Kirche zu, und der Rest wurde aus der Stadt gejagt. Geschmäht und
von Ort zu Ort gehetzt, wurden die Juden aber auch nach Kräften
ausgepreßt: im Jahre 1572 erhob es der ungarische Landtag zum
Prinzip, daß sie doppelt so hoch besteuert werden sollten als die
christlichen Stände. So war es nur natürlich, daß die Verfolgten
nach den Gemeinden Ostungarns abwanderten, die zu einem Be
standteil des gerade damals in voller Blüte stehenden jüdischen Zen
trums in der Türkei geworden waren. Erst nach Ausbruch des
Dreißigjährigen Krieges trat im Kampf gegen die Juden West
ungarns ein Waffenstillstand ein, und selbst dann noch unterließen
es die zu Einfluß gelangten Jesuiten nicht, die Landstände gegen
das »treubrüchige und gewissenlose« Volk aufzuhetzen.
§ 44. Das innerjüdische Leben in Deutschland im Zeitalter
der Reformation und der Religionskriege
Eintönig und schwunglos verlief das Leben in den Judenvierteln
Deutschlands in dem Zeitalter, in dem rings herum alles in Bewegung
geraten war. Die deutsche Judenheit war in dieser Übergangsepoche
mehr auf die Erhaltung ihrer autonomen mittelalterlichen Lebens
ordnung als auf deren weitere Entfaltung bedacht. Die Hauptsorge
der Gemeindeführer auf der 1530 von dem Generalsachwalter der
deutschen Juden Josel von Rosheim einberufenen Rabbinerkonferenz
bildete, wie schon erwähnt, die Sicherung erträglicher Beziehungen
zur Außenwelt (oben, § 42). Die Vertreter der rheinländischen Ge
meinden, die sich im Jahre 1603 in Frankfurt am Main versammelt
hatten, beschlossen, die jüdische Bevölkerung zu bescheidenstem Auf
treten anzuhalten. Damit »der jüdische Name nicht entehrt werde«*
wurde es untersagt, in innerjüdische Streitsachen die Staatsbehörden
hineinzuziehen. Man beschloß die Schaffung eines speziellen Fonds,
um für etwa nötige Schritte zur Verhütung neuer Unterdrückungs
maßnahmen im vorhinein gerüstet zu sein. Daneben wurde aus den