Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Die Hegemonie der Aschkenasim 
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Gleich nach dem Fall Ofens kam es zur Vertreibung aller Juden aus 
Ödenburg und Preßburg, und die Heimatlosen begaben sich unter 
den Schutz von Magnaten aus der Nachbarschaft. Als weiterer Vor 
wand für die Ausweisung der Juden wurden hie und da Ritual 
mordprozesse in Szene gesetzt. Im Jahre 1529 wurden in der Stadt 
Pösing nicht weniger als 30 Juden, Männer und Frauen, der Blut 
lüge geopfert; die minderjährigen Kinder der Verbrannten fielen der 
Kirche zu, und der Rest wurde aus der Stadt gejagt. Geschmäht und 
von Ort zu Ort gehetzt, wurden die Juden aber auch nach Kräften 
ausgepreßt: im Jahre 1572 erhob es der ungarische Landtag zum 
Prinzip, daß sie doppelt so hoch besteuert werden sollten als die 
christlichen Stände. So war es nur natürlich, daß die Verfolgten 
nach den Gemeinden Ostungarns abwanderten, die zu einem Be 
standteil des gerade damals in voller Blüte stehenden jüdischen Zen 
trums in der Türkei geworden waren. Erst nach Ausbruch des 
Dreißigjährigen Krieges trat im Kampf gegen die Juden West 
ungarns ein Waffenstillstand ein, und selbst dann noch unterließen 
es die zu Einfluß gelangten Jesuiten nicht, die Landstände gegen 
das »treubrüchige und gewissenlose« Volk aufzuhetzen. 
§ 44. Das innerjüdische Leben in Deutschland im Zeitalter 
der Reformation und der Religionskriege 
Eintönig und schwunglos verlief das Leben in den Judenvierteln 
Deutschlands in dem Zeitalter, in dem rings herum alles in Bewegung 
geraten war. Die deutsche Judenheit war in dieser Übergangsepoche 
mehr auf die Erhaltung ihrer autonomen mittelalterlichen Lebens 
ordnung als auf deren weitere Entfaltung bedacht. Die Hauptsorge 
der Gemeindeführer auf der 1530 von dem Generalsachwalter der 
deutschen Juden Josel von Rosheim einberufenen Rabbinerkonferenz 
bildete, wie schon erwähnt, die Sicherung erträglicher Beziehungen 
zur Außenwelt (oben, § 42). Die Vertreter der rheinländischen Ge 
meinden, die sich im Jahre 1603 in Frankfurt am Main versammelt 
hatten, beschlossen, die jüdische Bevölkerung zu bescheidenstem Auf 
treten anzuhalten. Damit »der jüdische Name nicht entehrt werde«* 
wurde es untersagt, in innerjüdische Streitsachen die Staatsbehörden 
hineinzuziehen. Man beschloß die Schaffung eines speziellen Fonds, 
um für etwa nötige Schritte zur Verhütung neuer Unterdrückungs 
maßnahmen im vorhinein gerüstet zu sein. Daneben wurde aus den
	        
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