Volltext: Stephan Rottaler

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E. K. (Ein König?) Der Anbetung der Könige auf dem linken Flügel entspricht 
hier ein Martyrium St. Sebastians. Als Stütze seitlich der Predella dient dem 
linken Flügel ein leider sehr stark beschädigtes Figürchen des hl. Christophorus, 
dem rechten Flügel ein solches des hl. Georg.1 Die Flügel- sowie die Stütz¬ 
figuren an der Predella überraschen vor allem durch die freie kühne Auffassung. 
Kaum 35 cm hoch, wirken sie in ihrer einfachen natürlichen Haltung und schlichten 
gemessenen Bewegung geradezu monumental. Man könnte sie auf Lebensgröße 
bringen, sie hielten stand. Es sind nicht bloß Figuren, die da vor uns stehen, 
sondern Persönlichkeiten, nicht ein hl. Petrus und ein hl. Paulus, sondern der 
hl. Petrus und der hl. Paulus, die glaubensstarken Apostelfürsten, der mild¬ 
würdige Bayernapostel Korbinian und der fürstliche Sigismund. 
Aber auch die Art, wie die Figürchen in ihre Nischen hineingestellt, und 
wie diese aufgebaut sind, ist neu. Das sind nicht mehr die engen Rahmen 
drückender Kiel- oder Kleeblattbogen der spätgotischen Grabsteine, sondern 
wirkliche Raumschöpfungen, tiefe Nischen, und zwar — mit Ausnahme einer 
reine Renaissancegebilde. Hier tragen Säulen mit gedrehtem Schaft auf einem 
Gebälk einen Muschelgiebel, dort stützen Pilaster einen Bogen, den Putten mit 
Gewinden zieren; St. Korbinian tritt uns wie aus hochgewölbter Kirche entgegen; 
nur St. Paulus steht unter einer altertümlichen Laube von gekünsteltem Ast¬ 
geflecht. Welcher Reichtum, welcher Wechsel von neuen Motiven! Wo kennt 
die Kunst Altbayerns jener Zeit etwas Gleiches?! 
Ein Vergleich der Flügel mit dem Schrein weckt auf den ersten Blick die 
Vermutung, daß die einzelnen Teile überhaupt nicht zusammengehören, geschweige 
denn aus einer Hand hervorgegangen sind. Um wieviel größer und freier wirken 
die Figürchen der Flügel gegenüber den befangenen Gestalten des engen Schreins; 
wie altertümlich mutet hier das gotische Baldachingerank im Gegensatz zu den 
neuen Architekturformen der Nischen an! Und doch gehören trotz der Ver¬ 
schiedenartigkeit des Materials unzweifelhaft Flügel und Schrein zu einem Ganzen; 
das beweist schon das am untern Rande der einzelnen Teile durchgehende Profil¬ 
gesims von Platte, Kehle und Stab.1 2 Aber auch der stilkritische Vergleich gibt 
gemeinsame Punkte. So ruhen die Bogen des Schreins auf Pfeilern, die durchaus 
jenen der Sigismundnische des linken Flügels gleichen; und auch die wechselnde 
Funktion der Beine, die an den Apostelfigürchen scharf zutage tritt, läßt sich an 
der Figur der Maria oder Barbara immerhin noch nachempfinden. Im übrigen 
jedoch an den Gestalten des Schreins dieses Zuviel an knitterigen Falten und 
Fältchen, an den Flügelfiguren aber eine weise Beschränkung auf große Linien, 
keine Verzettelung in Spielereien. 
Doch auch für diese Unterschiede baut sich uns eine Brücke. Warum 
wählte der Künstler Marmor für den Schrein, Sandstein für die Flügel? Sollte 
er nicht lediglich aus rein praktischen Erwägungen von dem Marmor als dem 
1 Nicht des hl. Michael, wie Ehrlich und Lotz (s, o.) angeben. 
2 Der Marolt-Altar stand ehemals in der benachbarten, dem Domkreuzgange angebauten 
St. Sebastianskapelle. Bei der Transferierung an den jetzigen Standort wurden die einzelnen 
Teile ungenau zusammengefügt.
	        
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