Volltext: Stephan Rottaler

Unser Wissen von deutscher Plastik ist Stückwerk. Lange Jahre hindurch 
klammerte sich die Forschung stets an dieselben Gruppen und Namen, und so 
entstanden nur einzelne üppige Oasen in weiten Wüsten. Erst die letzten Jahre 
nahmen sich der unbekannten Gebiete mit regerem Interesse an und erschlossen 
uns reiche, unerwartete Schätze. Was uns auch fürderhin not tut, um eine Ge¬ 
schichte der deutschen Plastik in strenger Wissenschaftlichkeit aufzubauen, sind 
Einzeluntersuchungen, Bausteine. 
Das Gebiet dieser Abhandlung ist sachlich und auch territorial betrachtet im 
wesentlichen kunstgeschichtliches Neuland, ein kleiner Bezirk, Freising, Moosburg 
und Ingolstadt, ausgenommen. Für Niederbayern aber und seine Hauptstadt fehlt 
jede brauchbare Vorarbeit. Was Haak über die gotische Plastik Landshuts, des 
wichtigsten Kunstzentrums des Gebietes, zu sagen wußte, ist dürftig, voll tat¬ 
sächlicher Unrichtigkeiten und von keinerlei Belang für geschichtliche und 
stilistische Entwicklungsfragen. So war ich, wenn man nicht einige flüchtige 
Worte Sigharts und Lübkes in Betracht ziehen will, einzig und allein auf die 
Denkmäler selbst angewiesen, mit denen ich mich auf häufigen Reisen vertraut 
zu machen suchte. Diese erschlossen mir eine ungeahnte Fülle vorzüglicher Bild¬ 
werke der Spätgotik und Frührenaissance in Niederbayern. Wie verführerisch 
es nun auch gewesen wäre, dieses reiche Material in Bildern und Worten auszu¬ 
breiten, so stand ich doch davon ab, in der Erwägung, daß man in dieses Chaos 
nur langsam, Schritt für Schritt eindringen dürfe, um sicheren Boden zu gewinnen. 
Es wird sich zunächst darum handeln müssen, die Denkmäler aus ihren Einzel¬ 
stellungen herauszuheben und sie geordnet zu Gruppen zusammenzuschließen, 
wie ich es mit den Werken eines Matthäus Kreniß und Joerg Gärtner schon 
versucht habe. Nur auf diese Weise wird es gelingen, die Fäden einer Entwick¬ 
lung, die Wandlung eines Stiles, die bunten Spielarten einer Strömung darzu¬ 
legen, und das einzeln Gewonnene wird schließlich zu einem Ganzen zwanglos 
sich fügen. 
So entstand auch die vorliegende Abhandlung, mit der ich einen Meister in 
die Kunstgeschichte einzuführen glaube, dessen Bedeutung von entschieden 
größerem als nur lokalem Interesse ist. Die erstmalige Bearbeitung des umfang¬ 
reichen Materials durfte eine eingehende Betrachtung zumal der Hauptwerke und 
eine sorgfältig prüfende Stilkritik als die unerläßlichen Grundlagen für die Kenn¬ 
zeichnung des pragmatischen und kunsthistorischen Zusammenhanges nicht außer 
acht lassen, und dies um so weniger, als viele Objekte abseits gelegen und schwer 
zu erreichen sind. Unter diesen Gesichtspunkten wolle die stellenweise Breite 
der Untersuchung nachsichtige Kritik finden. 
Das Gleiche erbitte ich mir für den zweiten Abschnitt des Buches. Die 
Darlegung der für die Plastik Landshuts maßgebenden Verhältnisse und die nach 
einigen Hauptlinien angelegte Skizze und vergleichende Studie über die nieder¬ 
bayerische Bildnerei erhebt keinen Anspruch, als etwas Abgeschlossenes an-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.