Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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in die klassische Gravität der Aktion. Günther auf der Jagd .... 
Ein wunderhübscher, schmächtiger Bub mit echten blonden Locken, 
mit Augen so blau, daß sie das Ordensband schlagen, das er über 
der Brust trägt. Sowie er hereinkommt, rasch und ungestüm, bringt 
er Leben in die klassische Komödie und nimmt aller Herzen ge¬ 
fangen; der Freiherr von Eyselsberg fragt, ob das ein junger Wald¬ 
stein sei, und die schöne Freiin läßt ihren Fächer sinken und flüstert 
lächelnd ins Ohr des Gemahls. 
Es kommt tragisch. 
Auf den Speer gelehnt, lauscht Günther im Dickicht: ,.Audire 
credo sonum appropinquantis ferae!“ . . . Die Bestie erscheint — nie 
war ein Eber schrecklicher als der Gratianer Wolf! — und Günther 
setzt sich ritterlich zur Wehr. O, wie zittern die schönen Damen 
für ihn! Aber sein Schicksal muß sich erfüllen . . . vom Zorne des 
Ebers getroffen, stürzt er ... da klatschen die Männer, die Frauen 
halten ihre Taschentücher an die Augen und die Freiin von Eysels¬ 
berg schreit laut auf. Die Aktion geht weiter. Es tritt Thassilo, 
der Herzog, auf und Liutpurga, die Herzogin, und Graf Utilo und 
Graf Grimoald und die Nymphen Onone und Hyale und die Schäfer 
Mopsus und Aegon; sie alle rezitieren ihren Part, wie sictds 
gehört . . . A) 
Das Stück endete mit einem Triumphe für Rettenpacher. Um 
wie viel großartiger aber wäre wohl der Jubiläumsactus verlaufen, 
hätte man damals bereits die schöne Bühne gehabt, welche Abt 
Erenbert einige Jahre später von den Ständen für seine Bemühungen 
anläßlich der Vermählungsfeier Kaiser Leopolds I. und beim Empfange 
der Majestäten in Linz erhielt! 
Auf dieser schönen Bühne hatten die Verordneten ihre und 
des Landes Gefühle in prunkvoller Seena verdolmetschen lassen. 
Um dieses Theater aufstellen zu können, vereinigte man das 
frühere Bühnenlokal mit dem darunter befindlichen Getreidekasten 
und in diesem zwei Stockwerke umfassenden Baume blieb es bis 
zum Jahre 1803. Die Bühne allein war beinahe zehn Klafter tief 
und hatte die Breite des ganzen Gebäudes.* 2) Man versteht also, 
wie man zur Zeit der Bitterakademie die Darstellung von Jagden, 
Jahrmärkten, Schlachten, Schiittagen etc. wagen konnte. 
9 In dieser Weise entwirft uns E. v. Handel-Mazzetti in ihrem geistvollen 
Roman Meinrad Helmpergers denkwürdiges Jahr (1902) das Bild einer Aufführung 
der Kallirrhoe zu Anfang des 18. Jahrhunderts. 
2) Im Parterre stiegen die Sitzreihen amphitheatralisch an, oben befand 
sich eine Galerie herum. 
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