Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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eines Abschiedsliedes, das er von einem Fahrenden gehört, auf eine 
leergebliebene Stelle eines Kodex ein.1) 
Mit Vorliebe klopfen die clerici vagantes an die Klosterpforten 
und ihr sprudelnder Frohsinn schmuggelte manch heiteres Lied über 
die heilige Schwelle. 
Besonders das 15. Jahrhundert bringt viel lustiges Volk ins 
Land, das von Stadt zu Stadt, von Kloster zu Kloster zieht.2) Diese 
Leute waren alles: Jongleurs, Sänger und Gaukler, Musiker und 
Quacksalber. Gegen Ende des Jahrhunderts sind unsere Klöster auch 
mit dem Humanismus schon bekannt und feiern freudig die Urständ 
des klassischen Lateins mit, das sie solange allein und treulich 
gehütet.3) 
Und der alte Kaiser Friedrich III. krönt am 20. Juli 1492 
auf seiner Burg zu Linz in Gegenwart venezianischer Gesandter 
Delhis, der -Verse auf ihn rezitiert hatte, zum Dichter.4) 
Nicht viel später halten in diese ehrwürdige Burg, die an der 
Stelle des einstigen römischen Kastells Lentia steht, jene ganz im 
Charakter der italienischen Renaissance gedichteten lyrisch-orchestralen 
Festspiele ihren Einzug, die ein Präludium der ludi caesarei der 
Jesuiten sind. 
Im Frühjahre 1501 weilte Kaiser Max mit seiner Gemahlin 
Bianca Sforza, umgeben von den Fürsten Mailands und dem ganzen 
Hofstaate, in Linz. Am 1. März gedachte er dem Schlesier Vinzenz 
Lang (Longinus) den Dichterkranz aufs Haupt zu setzen.5) 
Alles freute sich darauf. Als der Festtag angebrochen war, 
strömte viel Adel in prächtiger Kleidung zum Schlosse. 
In einem großen Saale nahmen der Kaiser und seine Gemahlin 
auf erhöhten Sitzen Platz und der Lndus Dianae, den Celles Longinus 
zu Ehren hatte drucken lassen, begann. 
Man hat wohl im Hinblick auf die verwöhnten Gäste, die in 
ihrer italienischen Heimat für solche Spiele die dichterische Form- 
*) K. Schiffmann, Ein Lied aus den carmina burana. Zs. f. d. Phil. 35 
(1903), p. 86 f. 
2) Im Rentbuche des Stiftes St. Florian vom Jahre 1104 findet sich eine 
eigene Rubrik für Geldgeschenke an „ioculatores et vagi“. Auszugsweise bei 
A. Czerny, Zwei Aktenstücke zur Kulturgeschichte Oberösterreichs, p. 27 Anm. 
3) A. Horawitz., Zur Geschichte des Humanismus in den Alpenländern. 
Sitzungsber. der kais. Akademie der Wissenschaften 1886 und 1887. 
4) E. Simonsfeld, Itinerario di Germania del anno 1492. Venedig 1903, 
p. 20 des Sonderabdruckes. 
5) J. Kaltenbäck, Die Dichterkrönung zu Linz. Österreichische Zeitschrift 
für Gesch. und Staatskunde 1835, Nr. 3 und 4.
	        
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