Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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Der Tod ist dabei als Person gedacht, eine Auffassung, der 
man bei den Alten und in der heiligen Schrift wiederholt begegnet 
(vgl. Apok. 6, 8). Solche Reigen des Todes wurden nicht nur von 
Malern und Bildhauern vielfach, und zwar besonders häufig in 
Dominikanerklöstern dargestellt, sondern auch als eine Art kirch¬ 
licher Spiele wirklich aufgeführt. Der Tod als Bote Gottes mußte 
Menschen jedes Alters, Standes und Geschlechtes einladen, an seinem 
Reigen sich zu beteiligen. Anfangs bestand das Tanzen des Todes 
mit seinen Erkorenen in einem einfachen Einherschreiten (Prozession) 
und hatte einen feierlich-ernsten Charakter, später nahm der Tod 
eine mehr springende Haltung an. Dabei wurden Wechselgespräche 
zwischen dem Tod und den angeredeten Personen geführt. 
Ein derartiger Totentanz fand entweder auf dem Kirchhofe 
vor dem Beinhause oder vor dem Kreuze oder auch in der Kirche 
selbst statt und hatte folgenden Verlauf: 
Zunächst trat auf der Kanzel ein Mönch (Prediger) auf und 
hielt eine Einleitungsrede über die Bedeutung des Totentanzes, 
welche die Hinfälligkeit alles Irdischen und die Allgewalt des Todes, 
der sich niemand entziehen kann, darstellen solle. Sodann kamen 
aus dem Beinhause mehrere als Tod maskierte Personen heraus, 
die mit Trommel und Pfeife zum Tanze aufspielten. Eine ebenfalls 
als Tod verkleidete Person trat nun in den Vordergrund und forderte 
alle Menschen auf, ihr zu folgen und sich dazu mit guten Werken 
zu rüsten. Mit dem Papste beginnend,- redete sie zuerst die Per¬ 
sonen geistlichen Standes, mit dem Kaiser fortfahrend die weltlichen 
Standes an und lud jeden, ihn bei der Hand fassend, ein, mitzugehen. 
Der Angeredete machte jeder in seiner Art Einwendungen, beklagte 
sein Schicksal und fügte sich schließlich, Gottes Barmherzigkeit 
anrufend, ins Unvermeidliche. Indem der Tod den ersten mit der 
einen Hand weggeleitet hatte, faßte er mit der andern schon den 
Nächstfolgenden, also nach dem Papst den Kardinal, dann den 
Bischof usw. 
Die als Tod fungierenden Persönlichkeiten trugen jede eine 
Totenmaske und waren in enganliegende gelbe Leinwand gehüllt, 
die so bemalt war, daß sie einer Leiche oder einem Skelett 
ähnlich sah. 
Den Schluß der Aufführung bildete wiederum eine Predigt mit 
der Aufforderung zur Buße und Bekehrung. Die ursprüngliche Zahl 
der bei diesen Aufführungen beteiligten Personen betrug 24; im 
Laufe der Zeit wurde dieselbe jedoch vermehrt. Solche Totentänze 
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