Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

142 
sie uns gleichfalls.1) Die Tagesgestirne waren aber Iffland und 
Kotzebue. 
„Mit der Gründung stehender Theater hörte die Konkurrenz 
der einzelnen Truppen mehr und mehr auf. Nichtsdestoweniger 
lag es in der Natur der Sache, daß in jeder größeren Stadt die 
daselbst lebenden dramatischen Dichter sich vorzugsweise an das 
hier befindliche Theater anschlossen und ihre Stücke auf seine 
Kräfte und den von ihm begünstigten Geschmack berechneten. Es 
entstand auf diese Weise eine sich mehr oder weniger von der 
übrigen, auf allgemeinere Ziele gerichteten dramatischen Dichtung 
absondernde Bühnenschriftstellerei, welche nicht wie jene, sei es 
dramatisch-poetische oder auch nur poetische, wenn nicht soziale 
und andere Kulturzwecke verfolgte, sondern wesentlich im Dienste 
des Bühneninteresses und Bühnenbedürfnisses stand und daher auf 
Bühnenwirkung und Kassenerfolge mit allen Mitteln hinarbeitete. 
Es waren unter diesen Leuten unzweifelhaft auch Talente, die der 
industriellen Bühnenschriftstellerei und der Mittelmäßigkeit einen 
gewissen Glanz gaben. Hiezu gehörte vor allen August von Kotzebue 
(1761 —1819), der Gott des damaligen Theaters, dessen dramatische 
Tätigkeit fast ununterbrochen den ganzen vorliegenden Zeitraum 
umfaßt. Er hatte längere Zeit die Herrschaft der Bühne mit Iffland 
zu teilen, den er jedoch als der Jüngere, Vielseitigere, Fruchtbarere 
und wohl auch Talentvollere bald überflügelte. 
Man kann sagen, daß Kotzebue sich in jeder einigen Erfolg 
versprechenden Form des Dramas versuchte, jeder Geschmacks¬ 
richtung der Zeit willig folgte. 
Er suchte naiv und sentimental, klassisch und romantisch zu 
sein. Er kultivierte die Tragödie, das Ritterstück, das Rührstück, 
das Zauberdrama, das Lustspiel, die Parodie und die Posse. Er 
schrieb in Jamben, Alexandrinern, gereimten freien Versen und in 
Prosa. Von einem solchen Schriftsteller, der immer nur den Erfolg 
im Auge hatte und von einer Arbeit rastlos zur andern eilte, wird 
man bei allem Talent eher alles andere als künstlerische Uber¬ 
zeugungstreue, Konsequenz des poetischen Charakters, Tiefe der 
Empfindung und künstlerische Weihe erwarten dürfen. Sein Talent 
reichte immer nur hin, mit dem Schein von dem allen zu täuschen, 
sagen wir zu seiner Entschuldigung nicht bloß andere, sondern 
wohl auch öfter sich selbst, obschon wir heute meist nicht mehr 
begreifen, wie diese Täuschungen möglich gewesen sind. Indessen 
wird man berücksichtigen müssen, daß auch schon damals nicht 
*) E. Wlassack, Chronik des k. k. Hof-Burgtheaters, p, 74—78.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.