Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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Tune chorus subsequüur: Credendum est magis soli Marie 
uera [ci]. 
Post apostoli ihunt ad sepulchrum choro cantante antiphonam: 
Currebant duo simul et ille alius discipulus precucurrit cicius Petro 
et uenit prior ad monumentum. Aeuia. 
Sub qua autem uenientes ad sepulchrum et diligenter intuentes 
sudarium ex eo recipiunt et ad locum eminenciorem deferunt et populo 
ostendentes cantent: Cernitis o socii, ecce lintheamina et sudarium, 
et corpus non est in sepulchro inuentum. 
Respondet chorus: Christus resurgens ex mortuis. 
Et populus: Christ ist erstanden. Sicque redibit clerus ad 
chorum. 
Noch in dem 1512, also knapp vor Beginn der Kirchenspaltung 
geschriebenen Kirchendirektorium1) des Stiftes, das die kirchlichen 
Funktionen im ganzen Jahre regelte und nach allen Kennzeichen 
auch wirklich in Gebrauch war, sich auch mitunter auf alte Hand¬ 
schriften beruft, steht die alte liturgische Osternachtfeier noch, ein 
später aber um so wertvollerer Zeuge dafür, daß bis zum Hammer¬ 
schlag an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg Klerus und Volk 
sich bei uns zu Lande den Sinn für das Mysterium der Auferstehung 
in einer Jahrhunderte alten Form bewahrt hatte. 
Und sollte man angesichts dieser Tatsache zweifeln dürfen, ob 
unsere wohlhabenden Bürger von Enns2) und Steyr, von Wels und 
Linz auch schon im Mittelalter Spiele agiert hätten wie die von 
Bozen und Sterzing, von Frankfurt und Alsfeld? Ich glaube nicht. 
Daß wir keine Spielhandschriften als Zeugen aufrufen können, haben 
die Bauernaufstände und der Dreißigjährige Krieg verschuldet. Zu¬ 
dem liegt unser Land ganz offen da und so konnte der Strom der 
3) Kod. XI, 398, der Stiftsbibliothek. 
2) Nach einer Stadtrechnung vom Jahre 1440 hat der Maler Peter „umb 
vier flüg zu zwein engln und umb ain tueeh anzustreichen, da man den Jesus 
ingenät hat; von ainem fürhang zu entwerflen“ 9 ß 21 o erhalten. (K\ Oberleitner, 
die Stadt Enns im Mittelalter vom Jahre 900 bis 1493 im Archiv f. k. österr. 
Gesch., 27., p. 76 des Sonderabdruckes.) 
Möglicherweise beziehen sich diese Angaben auf ein Weihnachtspiel oder 
auch auf ein Osterspiel, bei dem man ja ein Kreuz in Tücher zu hüllen pflegte, 
als ob es der tote Heiland wäre. Leider findet sich die älteste Kirchenrechnung 
der Ennser Pfarrkirche vom Jahre 1472 nicht mehr und die jüngeren von 1539 
an enthalten keinerlei Hinweis auf geistliche Yolksschauspiele. 
ln den übrigen Städten des Landes sind aber die mittelalterlichen Quellen 
fast alle dahin.
	        
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