Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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Lessing beurteilte ihn als Antenor in der Zelmire des Du Belloy, 
worin er ihn vollkommen befriedigt hatte. Antenor ist ein Böse¬ 
wicht von großem Verstände, welcher mit aller der Besonnenheit 
und Heiterkeit, die einem solchen so natürlich zu sein scheinen, 
gespielt werden mußte. Diesen Charakter nicht zu verderben, er¬ 
forderte nach Lessing das treueste Gedächtnis, die fertigste Stimme, 
die freieste, nachlässigste Aktion. Bei dieser Gelegenheit rühmt nun 
Lessing die Vielseitigkeit von Borchers Talent; schon das müsse 
ein günstiges Urteil für ihn erwecken, daß er sich in alten Rollen 
ebenso gern übe als in jungen. Dieses zeuge von seiner Liebe zur 
Kunst und der Kenner unterscheide ihn sogleich von so vielen 
anderen jungen Schauspielern, die nur immer auf der Bühne glänzen 
wollen und deren kleine Eitelkeit, sich in lauter galanten, liebens¬ 
würdigen Rollen begaffen und bewundern zu lassen, ihr vornehmster, 
auch wohl öfters ihr einziger Beruf zum Theater sei.1) 
Von allen, die sich neben Ekhof gebildet haben, kam Borchers 
diesem Muster am nächsten, ohne ihn sklavisch nachzuahmen oder 
dessen Fehler als Vorzüge aufzugreifen. 
Als er 1769 den Tellheim spielte, wurde er in dieser Rolle 
von manchen sogar Ekhof vorgezogen.2) Noch 1775 galt Borchers 
den Verfassern der Chronologie des deutschen Theaters als „der 
einzige, der uns den Verlust Ekhofs einigermaßen ersetzen könnte“, 
und als Lessing im Jahre 1777 den Mannheimern einen Entwurf 
zur Herstellung eines guten Pfälzer Theaters vorlegte, nannte er unter 
den Kräften, auf die man vornehmlich zu sehen hätte, Borchers.3) 
Auch seine Frau hatte als hervorragende Vertreterin des 
Faches der Heroinen den Beifall Lessings gefunden. 
Die Freude der Bühnenenthusiasten über diese Wandlung der 
Dinge war groß. 
*) Hamburgische Dramaturgie, 19. Stück (3. Juli 1767). 
-) Nur die Wiener scheinen für sein Spiel kein Verständnis gehabt zu 
haben. Borchers absolvierte im Oktober 1782 in der Residenzstadt ein Gast¬ 
spiel und fiel dabei durch. Man mutete ihm Rollen zu, die ihm nicht lagen, wie 
den Fähnrich in der „Juliane von Lindorak“, für den er den Wienern 
zu alt war, und den Wirt in Lessings „Minna von Barnhelm“, der ihnen 
mißfiel, weil es kein Wiener Wirt war. 
Als ihn nun die Direktion des Hoftheaters zwei seiner Leibrollen spielen 
lassen wollte, nämlich den argwöhnischen Ehemann und den Maler Lebock in 
der „Familie“, verzichtete er darauf und reiste ab. (Allgemeiner Theater- 
Almanach 1782, p. 139—141). 
3) Th. W. Danzer - G. E. Guhrauer, Gotth. Ephraim Lessing2. 2. Bd., 
Berlin 1881, p. 133.
	        
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