Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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gewesen, wie man nach langer Unterbrechung wieder das tieferbauliche 
Mysterium von der Auferstehung des Herrn in der Kirche aufführte. 
Was mochte es Seligeres geben für sie, die nur dem Heiligen lebte 
und die hütende Schwelle nie überschritt ? 
Propst Einwik (1295—1313) von St. Florian hat ihr frommes 
Leben beschrieben und uns in dieser Vita auch Nachricht von der 
geschilderten Aufführung des ludus paschalis gegeben.1) 
Der Brauch erhielt sich jahrhundertelang. So begegnet er uns 
wieder, nur wenig erweitert, in der liturgischen Auferstehungsfeier 
im Kodex XI, 434 der Stiftsbibliothek aus dem 14. Jahrhundert. 
Der Text2) lautet hier folgendermaßen: 
In sancta nocte ante pulsacionem matutinarum clam surgitur 
et a senioribus summa reuerencia crucifixus cum psalmis: Domine 
quid multiplicati, ps. Domini est terra, ps. Domine probasti me 
[uisitatur]. Deinde excipitur de sepulcro cum responsorio: Surrexit 
pastor bonus, qui posuit animam suam pro ouibus suis et pro suo 
grege mori dignatus est. Aeuia, aeuia, aeuia. 
q H, Pez, Script, rer. austriac. II, 286 (Vita Wilbirgis). Die betreffende 
Stelle lautet: Item quadam nocte dominicae resurrectionis, cum in monasterio 
ludus paschalis tam a clero quam a populo ageremur, quia eidem non potuit 
corporaliter interesse, coepit desiderare, ut ei Dominus aliquam specialis 
consolationis gratiam per resurrectionis suae gaudia largiretur. Et vidit quasi 
Dominum ad inferos descendentem et inde animas eruentem, quae quasi columbae 
candidissimae circumvolantes ipsum comitabantur et sequebantur ab inferis 
redeuntem. 
Aus diesem Texte hat man auf ein ziemlich ausgebildetes Osterspiel, 
das die Höllenfahrt Christi enthalten habe und wenigstens stellenweise deutsch 
gewesen sei, schließen zu dürfen geglaubt (L. Guppenberger, Anteil Ober- und 
Niederösterreichs an der deutschen Literatur seit Walthers von der Yogelweide 
Tod bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, Kremsmünsterer Gymn.-Progr. 1871, 
p. 55. W. Nagl-J. Zeidler, Deutschösterreichische Literaturgeschichte. Wien 1899, 
p. 138 f.). 
Allein die Gestalt des ludus, wie er noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts 
in St. Florian alljährlich in der Osternacht gefeiert wurde, spricht gegen diese 
Vermutung. 
Das Volk nahm insofern Anteil, als es am Schlüsse vor dem Tedeum 
den deutschen Ostergesang „Christ ist erstanden“ sang, ein Brauch, der erst der 
zweiten Entwicklungsstufe der Osterfeiern eigen ist und ebenso eine Rücksicht¬ 
nahme auf das zusehende Volk bedeutete, wie die Anfügung der Szene Joh. 20, 4 
(L. Wirth, Die Oster- und Passionsspiele bis zum 16. Jahrhundert, Halle 1889, 
pag. 4). 
2) Zuerst in Langes Osterfeiern, zuletzt korrekt gedruckt bei A. Franz, 
Das Rituale von St. Florian aus dem 12. Jahrhundert. Freiburg 1904, p. 195 f.
	        
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