Volltext: XIV. Jahresbericht des öffentlichen Mädchen-Lyzeums in Linz 1903 (14. 1903)

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gewiesen werden. Lebhaftes Interesse erweckte sodann die Autographen¬ 
sammlung; die Schülerinnen sahen (Vriginalbriefe Stelzhamers und (Stlms, 
ferner eine Anzahl von Porträts, die nicht nur historisch wichtige Personen 
Oberösterreichs, sondern auch Männer der Runst und Wissenschaft darstellten. 
Überdies wurden allgemein interessante Urkunden in ihrer hübschen Aus- 
stattung, alte Stammbücher mit ihren originellen Eintragungen, alte Haus- 
und Wirtschaftsbücher, kostbare Siegel u. dgl. gezeigt. 
Der Gewinn aus einer solchen Exkursion liegt wohl klar. Ein solchem 
Anschauungsmaterial vermag kaum eine Schulsammlung zu bieten; die tech- 
nischen Ausdrücke des Handschriftenwesens sind keine toten Begriffe mehr;, 
immer wieder kann der Unterricht Bezug auf das Gesehene nehmen und 
statt einer langen Erklärung, die doch noch nicht anschaulich zu wirken 
vermag, einen Hinweis auf das Selbstgeschaute geben. Der ethische lvert 
aber liegt in dem lebendigen Erfassen längst entschwundener Kulturstufen, 
in dem ehrfürchtig-liebevollen Sichversenken in der Väter Tage; die Ver- 
gangenheit ist nicht mehr die kalte Leiche, sondern erwacht zn warmem, 
farbenhellem Leben. 
I?. Kunstsammlungen. 
So sehr der kunsthistorische Unterricht, wenn wir von einem solchen 
als von einer Disziplin sprechen wollen, naturgemäß dem Zeichenunterricht 
zugeteilt erscheint, kann doch der literaturgeschichtliche Unterricht zuzeiten 
einer tieferen Versenkung in dieses Gebiet nicht ganz entraten. Wenn Lessings 
üaotoon auch nur auszugsweise berührt wird, kann dies doch ohne An- 
schauungsmaterial nur schwer geschehen. 2T(it Büchern und Bildern ist da 
im allgemeinen wenig geholfen. Goethes Jugend, sein Straßburger Auf- 
enthalt, seine italienische Reise — wer will dies besprechen, ohne Runst und 
Runstg egenstände zu berühren! 
Hier nun kann der Besuch von Kunstsammlungen, seien es permanente 
Ausstellungen oder öffentliche Sammlungen, viel zur Belebung des Unterrichts 
beitragen. In zweifacher Einsicht wird hiebei das Interesse und die Be- 
obachtungsgabe der Schüler angeregt werden müssen. Erstens wird die 
Technik der Kunst in einfachen Grundzügen erläutert; wenn wir erzählen, 
wie der junge Goethe aus Leipzig scheidet, weil seine Gesundheit durch die 
Arbeiten in dem Aupferstichatelier gelitten hatte, so muß man doch erklären, 
wieso dies der Fall sein kann, welche Substanzen und in welcher Meise sie bei 
dieser Arbeit verwendet werden. Zweitens sollen die geläufigsten Runst-Stilarten 
und Rünstlerschulen bekannt sein. Goethes Begeisterung für die gotische 
Baukunst und seine charakteristischen Äußerungen über dieses Gebiet sind 
ohne Anschauung für den Unterricht wertlos geworden. Wird die italienische 
Reise besprochen, so soll auf die Aunstschätze hingewiesen werden, denen
	        
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