Volltext: XIV. Jahresbericht des öffentlichen Mädchen-Lyzeums in Linz 1903 (14. 1903)

mit der Besichtigung einer Papierfabrik beginnen. Da dies nun für unsere 
Schule nicht anging, so mußten wir uns auf den Besuch einer größeren 
Buchbinderei beschränken. Durch das freundliche Entgegenkommen des Hof- 
buchbinders A. Rixner in Linz war es uns möglich, auch hier in metho- 
discher Weise das Einbinden eines Buches in allen Phasen genau zu be- 
obachten. 
Zunächst wurden die Heftmaschinen besichtigt und in Zwirn und Draht 
wurden vor unseren Augen die gefalzten losen Druckbogen geheftet. Diese 
Arbeit erregte infolge der Schnelligkeit, mit der sie vor sich ging, und der 
Genauigkeit, mit der die Maschinen arbeiten, Staunen und Bewunderung. 
Tagtäglich sehen die Schüler ihre mit Draht gehefteten Schreibhefte, ohne 
sich dabei etwas zu denken, ohne eine Ahnung zu haben, welche maschinellen 
Erfindungen und Einrichtungen nötig waren, um diese so einfach erscheinende 
Arbeit zu leisten! Und so sahen wir weiter Schritt für Schritt den Einband 
seiner Vollendung entgegengehen, wobei gar manches Neue und Überraschende 
sich darbot. Besonderes Interesse erregte die Herstellung der sogenannten 
Marmorierung an den Schnittflächen, ein Vorgang, der wohl überhaupt 
den meisten Laien unbekannt sein dürfte. Es geschieht ohne Maschinen mit 
einigen Handgriffen; in einem flachen Blechrahmen, wie er bei Verviel- 
fältigungs-Apparaten üblich ist, befindet sich eine gallertartige Masse, auf 
die ein (Quantum Staubfarbe geschüttet wird; es ist sehr nett anzusehen, wie 
die Farbe nun nach allen Seiten in den wunderlichsten Figuren und Linien 
auseinanderläuft. In die so vorbereitete Masse wird einfach die Schnittfläche 
eingetaucht und die uns so kunstvoll erscheinende Marmorierung ist fertig. 
— Daneben konnten noch manche andere interessante Arbeiten beobachtet 
werden, z. B. die Herstellung des sogenannten Goldschnittes, der Aufdruck 
der Rückentitel, das Aufsetzen von Leder- oder Metallecken an den Einband- 
decken, das heften großer Folianten für Ämter, Institute u. dgl. — Da 
die genannte Firma mit elektrischem Betrieb arbeitet, so ergab sich Gelegenheit, 
auch dem sonst den physikalischen Exkursionen vorbehaltenen maschinellen 
Teil der Anlage kurze Betrachtung zu widmen. Den Schluß bildete die 
Besichtigung der Arbeiten für ein kunstvolles Großfolio-Album, das als 
Abschiedsgeschenk für den scheidenden Herrn Statthalter Baron puthon 
bestimmt war. Hier konnten die kunstvolle Lederarbeit und die prachtvollen 
Emailarbeiten bewundert werden. 
So wurde auch durch diese Exkursion das Augenmerk der Schülerinnen 
auf tägliche Gebrauchsgegenstände und deren Herstellung gerichtet, was gewiß 
nicht ohne Nutzen sein kann; das Große, Imponierende, Mächtige fällt von 
selbst ins Auge, an dem Rleinen, Unscheinbaren, Alltäglichen aber soll Auge 
und Sinn sich üben und der Schüler es lernen, nicht achtlos an den Er- 
scheinungen um ihn her vorüberzugehen. So knüpft sich an das Schreibheft,
	        
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