Volltext: XXII. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1910/11 (22. 1910/11)

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„Unser junges Leben eilt 
Mit verhängtem Zügel, 
Krankheit, Schmerz und Gram verweilt, 
Nur die Lust hat Flügel. 
Ob wir hier uns wiedersehen 
Und wie heut ein Fest begehrn, 
Wer gibt Brief und Siegel?" 
Besonders wir Schülerinnen der VI. Klasse, im Begriffe vor 
den Prüsungstisch zu treten, um dann als flügge Vögel in die Welt 
hinauszuflattern, werden kaum wieder so ungezwungen fröhliche Stunden 
verbringen wie auf den schönen Lyzeumsausflügen. 
Jetzt, wo es Abschied nehmen heißt von unserem traulichen 
Heim, jetzt fühlen wir erst, wie teuer es uns geworden! Wir können 
nicht umhin, noch einen Blick zurückzuwerfen auf die vergangene 
Schulzeit. Kleine schüchterne Mädchen mit verzagten Herzen, kamen 
wir ins Lyzeum. Von Jahr zu Jahr mehrte sich unser Wissen, eine 
neue Welt hat sich uns erschlossen und besonders das letzte Jahr trug 
viel bei, unseren Kenntniskreis zu erweitern. In welch harmonischem 
Einklang lebten Lehrer und Schüler zusammen, wie sind uns erstere 
als Freunde und Ratgeber zur Seite geftanben! Herr Direktor haben 
durch Ihre stete Fürsorge unsere jungen Herzen im Sturme erobert. 
Sie waren uns ein gütiger Berater, ein väterlicher Freund! Möge 
all die Mühe, die Ihnen, hochverehrter Herr Direktor, die Sorge für 
unser-Wohl, für unsere Ausbildung gemacht hat, durch reiches Glück 
auf Ihrer Lebensbahn in Ihrem edlen Berufe entlohnt werden! 
Am nächsten trat uns Fräulein Schwämmet, unsere sehr 
verehrte Klassenvorsteherin, der wir besonderen Dank schulden. Unsere 
Verehrung und Liebe haben wir zwar nicht immer augenscheinlich be¬ 
wiesen; denn manchmal stürzte unser Jugendübermut alle gefaßten 
guten Vorsätze um; aber seien Sie versichert, es war nie, nie böse 
gemeint. An alle übrigen Lehrkräfte, die so gütig zu uns waren und 
so fürsorglich zur Bereicherung unseres Wissens beitrugen, richte ich 
dieselben Worte. Gern möchten wir unsere Dankbarkeit durch die Tat 
beweisen, doch nie würden wir diese große Schuld tilgen können. So 
nehmen Sie den guten Willen fürs Werk! 
Meine lieben Mitschülerinnen! Bald trennen sich unsere Wege; 
wir streben verschiedenen Zielen entgegen und nur zu bald werden 
wir in alle Winde zerstreut sein. Doch wo immer hin auch das 
wechselnde Geschick uns versetzt, das liebe alte Haus in der Museum¬ 
straße und die Zeit, die wir darin verbrachten, werden nie aus unserer 
Erinnerung schwinden. Was immer auch unser künftiger Beruf sei, 
wir wollen der Anstalt jederzeit Ehre machen und trachten, daß der 
reichlich gesäte Same auch gute Früchte trage. 
„Eintracht und Liebe halten uns zusayrmen, 
Wie auch im Wechsel steigt und fällt das Leben; 
Aufwärts die Blicke! Kräftigt euer Streben!"
	        
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