Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

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in der Atomgruppe immer eine zentrale und vermöge seines vierfachen 
Bindungsvermögens eine verkettende ist. Er dominiert im Kern der Gruppe 
und ist so recht der Konstruktor des Organischen sowie der Sauerstoff 
dessen Zerstörer, Destruktor, ist. hingegen ist seine Stellung im Molekül 
der anorganischen Körper, wo er meist in der Tarboxylgruppe (CCX,) 
erscheint, eine untergeordnete. 
Der kolloidale, festweiche Aggregatzustand, der leichte Zerfall der 
chemischen Konstituenten bedingen die Verschiebbarkeit der Teilchen und 
den Stoffwechsel im Plasma. Den Organismen als selbstbeweglichen 
Systemen mit ihrer beständigen Form und Stoffänderung stehen die an¬ 
organischen Körper als in sich ruhende und gegen stoffliche Um¬ 
wandlungen indolentere Aggregate gegenüber, die zwar nicht notwendig 
starr und unveränderlich, aber jeder selbständigen, aktiven Beweglich¬ 
keit, gestaltlichen und stofflichen Veränderung bar sind. Ihr Energie- 
gleichgewicht ist ein stabiles, während die lebenden Körper beständig 
Energien aus der Umwelt in ihre Lebenssphäre ziehen, sie aufspeichern 
und durch Umsatz (in Wärme, Bewegung) der Erhaltung ihrer Individua¬ 
lität und ihrem Selbstschutze dienstbar machen. Sie sind im dynamischen 
Gleichgewichte. In diesem Sinne sind die Anorganismen gegen äußere 
Eingriffe „wehrloser" — die beständigsten und daher häufigsten unter 
ihnen sind die Silikate wegen ihrer schweren Löslichkeit, die daher den 
größten Bestandteil der Lithosphäre ausmachen — während die Lebe¬ 
wesen durch ihr Reaktions- und Anpassungsvermögen und ihre zweck¬ 
mäßigen Selbststeuerungen zu schmiegsamen Abänderungen befähigt sind. 
Ein einfacher Versuch zeigt hier den wesentlichen Unterschied zwischen 
einem toten und einem lebenden Körper: setzt man das freie Ende eines 
biegsamen Stabes in horizontaler Lage dem Einfluß der Schwerkraft 
aus, so biegt er sich unter seinem Gewichte nach abwärts. Dasselbe 
tut auch anfangs ein in dieselbe Lage gebrachter wachsender Sproß 
(Stengel, Stamm), aber bald richtet er sich empor und wächst der 
Schwerkraft entgegen: nach aufwärts, also in eine Richtung, die für 
seine Weiterexistenz die zweckmäßigste ist. Das Prinzip des Lebens ist 
eben Irritabilität und Aktivität und das Streben sich zu erhalten im 
individuellen Dasein und darüber hinaus. So stehen Tier und Pflanze 
der im Meere zerfließenden Welle, dem hin und her gestoßenen, jeder 
Form und jedem Verhältnis sich fügenden Stein gegenüber. — Diesem 
Gegensatz der lebenden Naturkörper, die in einem stetigen Werden 
begriffen sind, und der Anorganismen, die in einem Sein verharren, 
entspricht der aus der Antike genommene Vergleich einer ehernen Statue 
mit einem menschlichen Körper: erstere homogen, in sich ruhend, gegen
	        
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