Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

— V - 
barkeit, Bewegung, Gestaltveränderung vergebens suchen, überall nach¬ 
weisbar. (Schon Aristoteles erkannte als die elementarste Eigenschaft 
des Lebens die Selbsternährung im Sinne von Assimilation und das 
daraus folgende Wachstum.) Auf seiner Basis entfalten sich erst die 
änderen Lebenstätigkeiten, die aus einem Energieumsatz entspringen, wie 
Bewegung, Nerventätigkeit. Denn jeder Stoffwechsel ist zugleich Energie¬ 
wechsel, da Stoff und Kraft unzertrennlich verbunden sind. Es gibt keine 
Kräfte, die auf einen Stoff wirken. Wechsel des Stoffes kann aber 
auch, u. zw. wenn Stoff im Überschuß zugeführt wird, einen Wechsel 
der Lebensgestalt im Sinne von Wachstum und endlich eine Verviel¬ 
fältigung des Individuums im Sinne der Vermehrung zur Folge haben. 
Es überwiegt dann der Anbau des Stoffes den Abbau. — Durch die 
im Stoffwechsel begriffene Zelle ergießt sich beständig ein Strom sich 
umbildender Materie, sie verharrt unter Beibehaltung ihrer Gestalt oder 
Individualität in einem eigentümlichen Lebensgleichgewicht, das inan 
als dynamisches dem stabilen Gleichgewichte der toten Körper, deren 
Substanz in starrer Ruhe verharrt, gegenübergestellt hat. Das Leben 
der Organismen ist in diesem Sinne kein (eleatisches) S ein, sondern ein 
fortwährendes (heraklitisches) Werden und Wiederwerden, eine stete 
Umbildung. „Alles stießt". Das Plasma muß sich beständig gegen viele 
als Attacken auf ihn eindringende Reize der Außenwelt, die an seiner stoff¬ 
lichen Zusammensetzung rütteln, behaupten und das momentan gestörte 
Gleichgewicht kompensieren und oft überkompensieren — es behauptet 
sich so innerhalb der ihm zugeteilten Lebenssphäre, als freilebender 
Körper in seinem Milieu. Überschreiten die äußeren Impulse ein Grenz¬ 
maß, so daß sie im Stoffgefüge schwere Störungen verursachen, oder 
erlahmen mit zunehmender Lebensdauer allmählich die aufbauenden und 
umsetzenden Fähigkeiten der Zellen, so verwandelt sich das dynamische 
arbeitsfähige Gleichgewicht in das stabile arbeitsunfähige Gleichgewicht 
eines toten Systemes, in dem alle Spannungsenergien gelöst sind. Dies 
ist im Tode der Fall. 
Uralte Brahmanenweisheit vergleicht das Leben mit einer Flamme, 
wendet man diesen vergleich auf eine Leuchtgasstamme an, so strömt 
durch diese, indem sie in einer bestimmten Form verharrt, zu ihrer Er¬ 
haltung ein konstantes Quantum von brennbaren und erhitzten Gasen. 
Der „Stoffwechsel" dieses Flammenkörpers besteht in der Oxydation der 
Leuchtgase, deren Verbrennungsprodukte als einfache, gesättigte Ver¬ 
bindungen (C02, H2 0) die Flamme verlassen. Diese ist ferner im Stoff¬ 
wechselgleichgewicht, da an jedem Punkte Nachschub und Unisatz (be¬ 
ziehungsweise Abfuhr) von Substanz sich das Gleichgewicht halten. 
2
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.