Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

ihren hohen Molekülban. So fand man z. B. für das Haemoglobin des 
Pferdeblutes die Molekularformel: 
C712/ H11 BO/ H214/ 0245, Fei, S2* 
Diese Formel, die auf ein sehr großes Molekül schließen läßt, er¬ 
klärt die Eigenschaft der Eiweißverbindungen, durch tierische Membranen 
äußerst schwer oder gar nicht zu diffundieren. Sie gehören also zu den Kolloid¬ 
substanzen, sind in Master unlöslich, aber äußerst quellungsfähig. Tatsächlich 
nimmt ausgetrocknetes Plasma begierig Master auf und gerät dadurch 
in einen eigentümlichen halbflüssigen, gallertartigen Aggregatzustand, der 
durch die leichte Verschiebbarkeit der Teilchen die Grundbedingung für 
die rasche Gestaltveränderung (amöboide Bewegung, Plasmaströmung) 
und das leichte chemische Reaktionsvermögen bildet. Manche besonders 
wasserreiche Plasmen neigen sogar wie echte Flüssigkeiten zu Tropfen¬ 
bildung, andere weisen durch Sonderung gerüstartiger Einlagerungen 
eine gewisse Formbeständigkeit auf. — Obwohl der stoffliche Aufbau 
der lebenden Materie wegen ihres leichten Zerfalles noch wenig er¬ 
forscht ist — wir kennen nur Bestandteile des toten Plasmas und 
auch von diesen noch verhältnismäßig wenige —so haben wir doch be¬ 
stimmte hinweise darauf, daß im Bau des Lebendigen die vielatomigen 
Eiweißkärper zu noch höheren Eiweißverbindungen komponiert sind, vielleicht 
als polymeres, so daß sie als wahre Riese nmolekü le, vielleicht 
schon den Grenzen der Sichtbarkeit nahe, durch ihre vielfache Verkettung 
mit Nachbarmolekülen und ihre aus ihrem komplexen Aufbau ent¬ 
springende äußerst vielseitige chemische Veranlagung ein an Stoffwechsel¬ 
beziehungen reiches Feld chemischer Tätigkeit beherrschen. Und wenn 
auch bisher infolge der noch unvollkommenen Praxis unserer Eiwei߬ 
chemie verhältnismäßig wenig Eiweißkörper aus dem Protoplasma 
isoliert wurden, so eröffnet doch schon diese geringe Zahl eine überaus große 
Kombinationsmöglichkeit dieser Bestandteile, gerade so wie etwa die Zahl 
der möglichen Wortkombinationen aus den 2\ Buchstaben des Alphabetes 
eine ungeheure ist. Mancher dieser isolierten Eiweißkörper mag auch 
verschiedene Isomere haben, d. h. einer und derselben ermittelten (empi¬ 
rischen) Formel entsprechen verschied en e Stoffe, wobei die Verschieden¬ 
heit auf der besonderen Gruppierung derselben Atome im Molekül 
beruht 2). 
*) Aus einer Verbindung wird eine polymere, wenn die Atomzahlen multi¬ 
pliziert. werden. Z. B.: H4 Aethylen, C4 H8 Butylen. Dadurch wachst die 
Molekülgröße. 
2) Isomere sind z. B.: CH3-CH2-CH, J Propyljodid und CH3-CHJ- 
CH;? Isopropyljodid.
	        
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