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Die Belagerung
werke und an der Herstellung zahlreicher neuer Geschützstellungen gearbeitet worden. Die Rampf-
mittel an Munition, Geschützen und Maschinengewehren konnten verstärkt werden. Rechtzeitig war
es dem ostasiatischen Marine-Detachement gelungen, Tsingtau zu erreichen. ls-00 Rriegsfreiwillige
und Männer des Beurlaubtenstandes waren vor der Einschließung eingetroffen. Die Verproviantierung
der Festung war soweit erhöht, daß sie für mindestens ein halbes Jahr ausgereicht hätte. Das denkbar
Beste war getan, was unter den gegebenen Umständen und mit den verfügbaren Mitteln überhaupt
erreicht werden konnte. Tsingtau war zum Rampfe gerüstet.
Die Stadt war von einem Rran; von Befestigungen umgeben. Nach der Seefeite zu war sie
durch Forts und Strandbatterien geschützt, die auf einigen in das Meer vorspringenden Halbinseln an
gelegt waren. Auf der Landseite erhob sich unmittelbar hinter der Stadt, einer natürlichen Stadtmauer
gleich, das durch zahlreiche Batteriestellungen und bombensichere Betonbauten befestigte Bergmassiv
der Iltis-, Bismarck- und Moltkeberge mit dem Ausläufer des Mathildensteins. Hinter diesen Höhen
schloß halbkreisförmig von Meer zu Meer eine ö Rilometer lange Rette von 5 Infanteriewerken
die Festung landeinwärts ab. Vor diesen Merken vollzog sich, durch den Ruschan, den Taschan, die
Waldersee-Höhen und die Prinz-Heinrich-Berge gedeckt, der Aufmarsch der feindlichen Artillerie.
Nach der Einschließung brauchten die Japaner noch einen ganzen Monat, um ihre Belagerungs
artillerie heranzuschaffen. Zu diesem Zweck bauten sie erst von Mangkotschwang aus eine von Rulis
betriebene Feldeisenbahn um das Lauschan-Gebirge herum nach Litzun. Die deutschen Festungsgeschütze
suchten in dieser Periode der Belagerung die Heranführung und Aufstellung der feindlichen Artillerie
nach Rräften zu stören, während der Feind sich auffällig ruhig verhielt. Auch die Strandbatterien
griffen in diesen Rampf ein, indem sie über die Stadt hinweg in die feindlichen Stellungen feuerten.
Die Beschießung gestaltete sich um so schwieriger, als der Aufmarsch unsichtbar hinter jener Bergkette
erfolgte. Trotzdem erlitt der Feind schwere Verluste an Geschützen und Mannschaften. Der berühmte
„Flieger von Tsingtau" leistete in diesen Oktoberwochen durch seine kühnen Beobachtungsflüge der
Festungsartillerie unschätzbare Dienste.
Täglich rollte jetzt schwerer Geschützdonner über die Stadt und die Berge. Besonders in den
sternenklaren Nächten bot das Artilleriefeuer ein großartiges Schauspiel. In der Festung herrschte
ein fieberhafter Betrieb. Die Nerven waren aufs höchste angespannt. Patrouillen gingen und kamen,
Autos und Motorräder sausten hin und her, Telephone schrillten, Befehle wurden erteilt. Dazwischen
dröhnte der Donner der eigenen Batterien und krachten die Granaten der feindlichen Schiffsgeschütze
und die Bomben der feindlichen Flieger, die jetzt täglich die Stadt und die Festung heimsuchten.
Inzwischen arbeitete sich die feindliche Infanterie, ohne von der eigenen Artillerie unterstützt
zu werden, vor den Ruschan—Maldersee-Höhen langsam an die deutschen Infanteriewerke heran.
Besonders ihr rechter Flügel hatte unter dem Flankenfeuer der „Raiserin Elisabeth" und des „Jaguar"
schwer zu leiden. Näher und näher schoben sich ihre Laufgräben vor. Am 20. Oktober lag sie l 500 Meter,
am 2ö. bereits 800 Meter vor dem Haupthindernis.
Endlich, am Z l. Oktober, begann nach sorgfältiger Vorbereitung der letzte Akt der Belagerung.
Am Morgen dieses Tages setzte das Feuer der gesamten Belagerungsartillerie schlagartig in voller
Stärke ein. Tag und Nacht ging von nun an das Feuer schwerer und schwerster Geschütze ununter
brochen auf Tsingtau nieder. Gleichzeitig beschoß die Blockadeflotte, die jenseits der Bucht hinter
der Halbinsel Haishi aufgefahren war, die Stadt und die Festung mit schwerstem Raliber. Immer
stiller wurden die deutschen Festungsbatterien. Völlig vom feindlichen Feuer eingedeckt, vermochten
sie nur noch in den Gefechtspausen des Gegners zu schießen. Am besten arbeitete noch in diesen letzten
Tagen die bewegliche Artillerie, die sich durch raschen Wechsel ihrer Stellungen immer wieder der
Vernichtung zu entziehen verstand. Die großen Petroleumtanks am Hafen gingen in Flammen auf.
Wie ein Fanal des nahen Endes stiegen gewaltige Rauchsäulen zum blauen Himmel empor und legten
einen schwarzen Schleier über die sterbende Stadt.
„Schauerlich war die Pracht zum November, in der die Japaner einen ihrer Sturmangriffe
versuchten... Ein furchtbarer Sturm heulte durch die Nacht, der Geschützdonner dröhnte in rasendem