Volltext: Die unsterbliche Landschaft. Zweiter Band: Flandern. Arras-Somme-St. Quentin. Die Aisne-Champagne-Front. Der Kampfraum Verdun. Vogesenkrieg. Der Krieg in den Kolonien. Der Seekrieg. (II. / 1935)

Die Flandernschlacht I9i7 
II 
Das große Spiel begann Anfang Juni am wytschaetebogen. Man wußte auf deutscher Seite, 
daß die Engländer gewaltige Minensprengungen vorbereitet hatten. Aber so trotzig und todverachtend 
hatte dieser Rrieg die Soldaten gemacht, und so hart und unbeugsam klammerten sie sich an den 
Boden an, der seit drei Jahren mit ihrem Blut getränkt wurde, daß der Entschluß zur freiwilligen 
Räumung, um dem Unheil zu entgehen, nicht gefunden wurde. So nahm die Rataftrophe ihren Gang. 
Am 7. Juni flogen große Teile der deutschen Stellungen unter dem Druck von 5oc> Tonnen Sprengstoff 
in die Luft. Die Reste der deutschen Besatzung fluteten zurück. In der Linie Hollebeke—Warneton 
wurden sie von Verstärkungen aufgefangen. Ein Dutzend Erdkrater, in deren Grund sich schwärzliches 
Wasser ansammelte, war der Siegespreis der Engländer. 
Nach dieser Einleitung folgte die Hauptaktion. 
Seit Mitte Juli zerschlug das englische Trommelfeuer die deutschen Stellungen. Am Z l.Iuli 
erfolgte der erste Großangriff. Da von den Stellungsdivisionen, die die vierzehntägige Ranonade 
über sich hatten ergehen lassen, nicht mehr viel übrig war, gewann der Angriff einen oder zwei Rilo- 
meter Raum. Dann stockte er. 
Es regnete in diesen Wochen Ln Strömen. Der Rampfraum verwandelte sich in Sumpf und 
Morast. Das Trichterfeld wurde allmählich zu einer blinkenden Wasserfläche, aus der nur noch die 
Trichterränder herausragten. Auch die bildeten keine festen Brücken mehr, sondern gaben bei jedem 
Schritt nach, Nur auf Laufstegen konnten die Trichterstellungen von den rückwärtigen Befehlsstellen 
und den Reserven erreicht werden. Sie waren dem Leinde bekannt und wurden von seinen Fliegern 
überwacht. Reserven, die zur Ablösung oder Verstärkung nach vorn eilten, wurden mit Feuer über 
schüttet. Gelbst auf einzelne Meldegänger und Essenholer stießen die Raubvögel herab. 
Aber es gab keine andere Möglichkeit, vorwärtszukommen, wer von den Laufstegen abwich, 
versank im Schlamm. 
Die Trichterstellungen waren in der Schlamm- und Wasserwüste kaum noch zu erkennen. Ihre Ver 
teidiger führten einen fast hoffnungslosen Rampf gegen das Wasser, das vom Himmel siel und aus 
der Erde quoll, gegen das höllische Dröhnen und Bersten der Brisanz- und Gasgranaten, die immer 
neue Löcher in die Schlammdecke rissen und die Luft mit Dreck und Eiualm erfüllten, gegen die mord 
gierigen feindlichen Flieger, die über dem Rampffeld kreisten und alles Lebendige, was sich irgendwo 
regte, durch ihr Maschinengewehrfeuer vernichteten. Auf rechtzeitige Hilfe konnten die Männer im 
Trichterfeld fast nie rechnen. Sie lagen, den halben Rörper im Wasser, im Gefühl tödlicher Einsamkeit, 
hinter ihren kleinen Erdaufschüttungen, tagelang, halb verhungert, halb erstarrt. 
Die Schlacht verlief, im großen gesehen, nicht viel anders wie die vor Verdun und an der Somme. 
Sie übertraf ihre grausigen Schwestern vielleicht noch im brutalen Masseneinsatz von Material auf 
engstem Raum, sie verzichtete noch mehr auf jede Vergeistigung der Rriegführung. Es war ein stumpf 
sinniges Töten durch Granaten. Weiter nichts. 
Das Ergebnis war, am Raum gemessen, noch geringer als vor Verdun und an der Somme. 
Im November hatten die Engländer die Deutschen von der Hügelkette verdrängt und blickten nun 
von deren Osthängen auf sie hinunter. Genau an der Stelle, wo der Rampf endete, blieben die Deut 
schen liegen, Nicht einen Schritt gingen sie freiwillig weiter zurück, mochte ihre Lage am Fuße der 
Hügel auch noch so gefahrvoll sein. 
Das war der „Sieg" der Engländer in Flandern. Zypern wurde ihre Totenstadt. Hunderttausend 
Namen gefallener britischer Soldaten sind in das „Tor der Erinnerung" eingemeißelt, das sich heute 
am Stadtrand erhebt. 
Ihre Taktik, wenn man von einer solchen sprechen will, war ihnen selbst zum Verderben aus- 
geschlagen. Durch die vollkommene Zerstörung des Geländes, durch das sie marschieren mußten, hatten 
sie sich ein Hindernis geschaffen, das sie nicht zu überwinden vermochten. Der Angriff blieb buchstäblich 
im versumpften Trichterfeld stecken. Die Ranonen ließen sich nicht mehr bewegen, es war unmöglich, 
die erforderlichen Massen an Munition heranzubringen. Jeder weitere Schritt vorwärts verschlimmerte 
die Lage nur noch mehr.
	        
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