Volltext: Die deutschen Gewerkschaften im Kriege [87]

Fällen sogar mit Zuchthausstrafen bedrohte, war der Ausdruck 
dieser Bestrebungen. Jedoch war die Stellung der Gewerkschaften 
schon zu gefestigt, als daß dieser Versuch, sie unmöglich zu machen, 
noch gelang. So blieb die Arbeit der Gewerkschaften für die Ver¬ 
besserung des Arbeitsverhältnisses frei, bis auf die Opfer, die eine 
übelwollende Polizei- und Verwaltungspraxis erforderte. 
In diesen Vorgängen lag sicher eine weitere Förderung und 
Kräftigung der radikalisierenden Tendenzen. Aber da sie schließlich 
doch ohne ernstliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit verliefen, 
so kam diese Wirkung nicht voll zur Geltung — auf jeden Fall war 
sie zu schwach, um die anders gerichteten Tendenzen, die sich aus 
den tatsächlichen Erfolgen ergaben, merklich abzuschwächen oder gar 
zu überwinden. 
Je länger, je mehr äußerten sich diese Erfolge darin, daß sich 
in dein Verhalten der Gewerkschaften nach außen eine leise Wand¬ 
lung ankündigte. Ein Jahrzehnt oder gar zwei Jahrzehnte erfolg¬ 
reicher Arbeit konnten an dem geistigen Wesen der Organisationen 
nicht spurlos vorübergehen. Die Erfolge aber kamen; jedes Jahr 
traten sie in den Statistiken der Organisationen über den Verlauf 
der Lohnbewegungen der Masse der Gewerkschaftsmitglieder greif¬ 
bar vor die Sinne. Da drängte sich jedem Denkenden der Unter¬ 
schied auf, den diese statistischen Berichte in den einzelnen Jahren 
aufwiesen. Jahre mit günstiger Wirtschaftslage standen da mit 
hohen Erfolgszahlen, Jahre mit krisenhaftem Wirtschastsgange 
boten dagegen nur eine magere Ausbeute. Der Zusammenhang 
war klar wie der lichte Tag: die Lage der Arbeiterschaft und die 
Möglichkeit, sie zu verbessern, hingen von dem Stande der Wirt¬ 
schaft ab; ohne Warenabsatz keine Aufträge für die Produktion, 
keine gute Arbeitsgelegenheit, keine Aussichten, das Arbeitsver¬ 
hältnis zu verbessern. 
Das war eine ganz simple Logik, eine Wahrheit, die man sozu¬ 
sagen von der Straße auflesen konnte — kein tiefschürfendes Suchen, 
keine Problemlöserei war nötig, mn sie zu finden. And doch be¬ 
deutete ihre Aufnahme in die gewerkschaftliche Anschauungswelt 
einfach eine Revolution. Freilich eine Revolution ohne drama¬ 
tische Effekte. Es kam nicht etwa wie eine plötzliche Erleuchtung 
über die Arbeiter. Es war ja zunächst nichts anderes, als daß ein 
neues geistiges Wesen schüchtern an die Türen der Gewerkschaften 
klopfte; es führte sich auch nicht großspurig mit der Ankündigung 
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