Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

Om Heiligen Land 
wenn wir versuchen uns klar zu werden, was denn eigentümliches und merkwürdiges an diesem 
Bilde sei, so ist es das uns völlig Ungewohnte, daß hier der Baum an die Stadt gebunden ist, 
während ringsumher jede Bewaldung fehlt. 
Die Sonne liegt reichlich warm auf uns. Aber wir sind noch frisch und ausgeruht und es tut 
uns wohl, nach der langen Eisenbahnreise die Glieder zu rühren. Die Straße ist gut, erstaunlich gut, 
auf langen Strecken wie eine deutsche Chaussee. Hwr die, die das Land schon kennen, sind vorsichtig. 
Sie trauen der Sache nicht. Straßenbau ist nicht die starke Seite Asiens. Es gibt hier ausgezeichnete 
alte Straßen noch aus der Römerzeit; aber die haben eben Europäer gebaut, die regelmäßigen Ver¬ 
kehr ins Auge faßten, die eine harte dauernde Fahrbahn schufen, das Wasser ableiteten und Ordnung 
in die Dinge brachten. Das alles ist asiatischer Denkweise fremd. „Ihr baut Straßen", sagten uns 
später in den Bergen von Samaria die arabischen Dorfbewohner, „und jetzt müssen wir das dulden. 
Aber verlaßt euch darauf: wir werden dafür sorgen, daß sie wieder verschwinden. Denn mit der Straße 
kommt der Steuereinnehmer, kommt der Beamte, kommt die Rontrolle. Bisher waren wir von diesem 
Geschmeiß, das Gott verderben möge, leidlich frei. Rain einer, so konnte man ihn bestechen. Aber mit 
-er Straße wird das anders, und das paßt uns wenig. Geringen Dank sollt ihr haben für eure ver¬ 
fluchte Neuerung!" 
Am zweiten oder dritten Tag erreichen wir Runetra. Langsam steigt der weg an. Gebirgige 
Formen treten heraus. 
Um Mittag fällt von der Gebirgshöhe aus der Blick hinunter Ln das tiefe Jordantal und auf 
das Bergland dahinter — unser Blick ins Gelobte Land. Moses sah es viel weiter südlich und kam 
nicht hinein. Bei uns ist das anders. Nur sind wir im Zweifel, ob es für uns ein „gelobtes" Land 
sein wird. Eines aber muß auch der kritischste zugeben: für das Fehlen der Innigkeit und Freundlich¬ 
keit der deutschen Landschaft wird man hier entschädigt durch die großartigen Fernsichten. Hier bedarf 
es nicht der Aussichtstürme der Mark oder Schlesiens, um sich über den Bergwald zu erheben. Denn 
Wald ist nicht da und in der klaren durchsonnten Luft trägt der Blick weit, weit, fast endlos. Unter 
uns liegt das Jordantal und der Hulesee, der kleinere der beiden Seen, die der Fluß auf seinem Laufe 
durchströmt, ehe er sich, über Zoo Meter unter dem Meeresspiegel, in das Tote Meer ergießt. Im 
Zuge der Straße, die wir marschieren, führt eine Brücke über den Jordan. Sie ist uralt, wer weiß, 
wer sie gebaut und zerstört und wieder gebaut hat. Es ist die Jakobsbrücke, eine der ganz wenigen, 
die den Jordan überspannen. Dahinter die bergige Landschaft Galiläas; scharfe Augen wollen in 
fernen weißen Linien die Stadt Safed erkennen, die Hoffnungsstadt der Juden noch heute, wo sie 
gerne ihren Leib nach dem Tode begraben wissen, um dem Himmel näher zu sein, weiter links, nach 
Süden, muß der See Genezareth liegen, die eigentliche Stätte von Jesu Wirksamkeit. Hundert Rilo- 
meter südlich davon steht die Front. 
m Frühjahr I9I8 verläuft die Front nördlich von Jaffa und Jerusalem und vom Toten Meere 
hinüber in die arabische wüste. Es ist noch nicht sehr lange her, da lag sie viel weiter südlich und 
bedrohte Ägypten! Die Zeiten haben sich leider sehr gewandelt. 
Im Januar l9l5 waren zum erstenmal türkische Truppen in Stärke von 20000 Mann, begleitet 
von deutschen Offizieren, von der türkisch-ägyptischen Grenze her auf den Rarawanenstraßen der 
Sinaihalbinsel gegen den Suezkanal vorgestoßen. Gelang es, diese Lebensader des britischen Welt¬ 
reiches zu unterbinden, dann war Gewaltiges erreicht, vielleicht trug man dann den Aufstand nach 
Ägypten hinein, vielleicht flammte doch noch der heilige Rrieg in der Welt des Islam auf, zu dem der 
Sultan als Ralif die Gläubigen bisher vergeblich aufgerufen hatte. 
Aber um zum Ranal zu gelangen, mußte die 200 Rilometer breite wasserlose Sinaiwüste durch¬ 
quert werden. Der Nachschub auf eine solche Entfernung ließ sich, selbst für ein kleines Expeditionskorps 
An der palästmafront 
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