Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

Beginn der Schlacht bei Tolmein 
Selo. Zwischen Flitsch und Tolmein überstiegen sie die 2000 m hohen Gebirgsgipfel des Rrn. Der 
Angriff aus dem Raum Flitsch—Tolmein mußte also zunächst über den vom Feind besetzten Ramm 
des Rrn hinweg tief Ln das Isonzotal hinabsteigen und führte dann auf der anderen Seite des 
Flusses wieder hinauf auf die fast ebenso hohen Gebirgsstücke des Gtol, des Monte Matajur und 
des Rolowrat. 
Ein solcher Angriff widersprach eigentlich den Regeln der Rriegskunst. Hatte es überhaupt 
Ginn, ein Gebirge von 2000 m Höhe anzugreifen, das jahrelang auf das sorgfältigste befestigt, das 
mit Ranonen besät war und das von tapferen und kriegsgeübten Soldaten verteidigt wurde? 
Auf schmalen Gebirgsstraßen, auf denen stellenweise nicht einmal zwei Rolonnen nebeneinander 
marschieren oder sich begegnen konnten, wurden die deutschen Truppen Mitte Oktober herangeführt. 
Sie standen eng zusammengepreßt im Tolmeiner Brückenkopf. Es war ein lebensgefährliches Ge¬ 
dränge. Auf jedem freien Fleck waren Ranonen aufgestellt, lagerte Munition, dürftig durch Dachpappe 
und Zweige gegen Regen und Sicht gedeckt. Der ganze Verkehr von Tolmein über das Gebirge nach 
rückwärts hing an zwei Straßen und einer wenig leistungsfähigen Bahn. Wenn die Italiener das 
Feuer ihrer weittragenden Geschütze in die engen Täler von Tolmein und Sta. Luzia konzentrierten, 
dann konnten sie schwersten Schaden anrichten, den Angriff vielleicht vor seiner ersten Entwicklung 
zerschlagen. 
Die Italiener hatten durch österreichische Überläufer und durch Gefangene ziemlich genaue 
Nachrichten über das, was vor sich ging. Aber sie nahmen die drohenden Anzeichen nicht so ernst, 
wie diese es verdienten, Noch am 23. Oktober, einen Tag vor dem Angriff, gab Ladorna die Er¬ 
klärung ab: „Es ist nichts zu befürchten." 
Es geschieht im Rriege vieles Unbegreifliche. 
Die deutschen Soldaten, von denen die meisten zum erstenmal Berge von 2000 m Höhe zu sehen 
bekamen, gerieten in ungläubiges Staunen, als man ihnen sagte, daß sie diese schneebedeckten Riesen 
kurzerhand stürmen sollten. Sie waren nicht gewohnt, viel danach zu fragen, ob ein Angriff aus¬ 
sichtsreich und möglich sei. Zu viel Unwahrscheinliches wurde von ihnen verlangt. — Aber das hier 
ging über alles bisher Erlebte noch hinaus. 
Als am 24. Oktober, 2 Uhr morgens, die deutschen und österreichischen Batterien das Feuer eröffne¬ 
ten, hingen die Wolken tief an den Hängen der Berge herab. Über dem Ifonzotal lag Dunst und Nebel. 
ö Uhr morgens. Der große Augenblick ist gekommen. Oben im Flitscher Becken zwischen dem 
Rombon und dem Rrn quellen die österreichischen Regimenter in dichten Schützenschwärmen aus den 
Stellungen beiderseits des Ifonzo. Das ganze Tal ist von ihnen bedeckt. Sie laufen, stürzen auf das 
halb zerstörte Flitsch zu. Minuten entscheiden, wenn nur ein paar von den italienischen Batterien aus 
der Todesstarre erwachen, in die sie unter den Giftschwaden der Gasmunition versanken, wenn nur 
ein Dutzend Maschinengewehre ihre Feuergarben von den Hängen herab auf diese dichten Massen 
sprühen lassen, dann ist alles vorbei. 
Hier und dort blitzt im trüben Nebel Mündungsfeuer auf, rattert ein Maschinengewehr. Aber 
das Feuer ist ungezielt, als fei es von Halberblindeten abgegeben. Die erste, die zweite, die dritte Stellung 
wird von den Österreichern gestürmt. Unaufhaltsam wälzt sich die Masse der Angreifer im Tal vorwärts. 
Der Rombon und der Rrn liegen tief in den Wolken, von dort ist starker Gefechtslärm hörbar. 
Es kommen Nachrichten, daß heftiger Schneesturm jedes vorwärtskommen erschwere. 
Zur gleichen Zeit eilen unten bei Tolmein und Sta. Luzia die deutschen Soldaten über das breite 
Ifonzotal hinweg und steigen dann, wie es befohlen ist, die gegenüberliegenden, mit Buschwerk be¬ 
deckten Hänge des Rolowratrückens hinauf. Bis zum Abend erreichen sie die vorderste Höhe des jen¬ 
seitigen Ufers, vor ihnen dehnt sich Bergkette hinter Bergkette. Der erfahrene Soldat hat es im 
Gefühl: Der Angriff muß sich hier bald rotlaufen. 
Eine Angriffskolonne — es ist die deutsche 12. Infanteriedivision — hat die feindlichen Stel¬ 
lungen nördlich Tolmein beiderseits des Isonzo durchbrochen und marschiert im Tal ohne Besinnen 
weiter, Richtung Rarfreit. Die Spitze ist im trüben Dunst längst verschwunden. 
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