Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

3mmer, wenn wir einem neuen Kriegsschauplatz entgegenfuhren, mochte es Flandern oder Serbien, 
Rurland oder Galizien fein, hatten wir jenes erregende Gefühl, das gemischt war aus Neugier, 
aus Freude an der Veränderung und am Abenteuer und aus einem geheimen Schauder vor dem 
Schlachtenschicksal, das unbekannt vor uns stand, dem im Laufe der nächsten Tage oder Wochen 
viele unter uns zum Opfer fallen würden. Denn darin waren sich alle Landschaften, in die wir kamen, 
gleich, mochten sie sonst noch so verschieden sein: sie waren gierig nach unserem Blut; sie ruhten nicht, 
bis sie sich sattgetrunken hatten und bis jeder zehnte oder jeder vierte von uns in ihrer Erde ruhte. 
Diesmal nun zogen wir nach Siebenbürgen, in den letzten Winkel zwischen dem Rigaischen Meer¬ 
busen und der Bucht von Lattaro, der bisher vom Rrieg verschont geblieben war. Bald würden nun 
auch hier Städte und Dörfer brennen, Felder zerstampft und Menfchenleiber zerrissen werden. Alles 
ging seinen gewohnten Gang. Schon tauchten die bekannten Bilder auf, die jedesmal das nahende 
verderben ankündigten: Die Straßen, die aus unserem Versammlungsraum um Rarlsburg am 
Maros nach Hermannstadt und Rronstadt führten, bedeckten sich mit endlosen Zügen vor dem Feinde 
flüchtender Einwohner, mit Vieh und mit wagen.- 
Während wir, gleichgültig geworden und abgestumpft durch die Gewohnheit, die unglücklichen 
Menschen an uns vorüberziehen ließen, horchten wir plötzlich auf. Aus dem Gewirr magyarischer 
und rumänischer Gprachlaute schlugen uns deutsche Worte entgegen in einer Aussprache, die rein 
und klar, wenn auch ein wenig fremd klang. Die Landschaft bekam mit einemmal ein anderes Gesicht, 
wenn wir abends ins Quartier kamen, konnten wir meinen, in einem Dorf mitten in Deutschland 
zu fein. 
Siebenbürgen. — Erinnerungen kamen uns. Merkwürdige Dinge hatten wir in jener endlos weit 
zurückliegenden Zeit des Friedens von den Siebenbürger „Sachsen" gehört, die vor mehr als einem 
halben Jahrtausend vom Rhein und von der Mosel und aus Hessen nach Ungarn hinübergezogen 
waren und unter fremdrassigen Völkern Dörfer und Städte aufgebaut hatten. Damals, im Frühlicht 
deutscher Geschichte erlebte die Siebenbürger Landschaft ihre große historische Grunde. Auf der 
Heimkehr von Jerusalem hatte der Deutsche Ritterorden unter dem starken Schutz des Hohenstaufen¬ 
kaisers Friedrich II. hier das schwarze Rreuz auf weißem Feld aufgerichtet. Die Trümmer mächtiger 
Burgen in Siebenbürgen und jenseits der Transfylvanischen Alpen in der Walachei legen heute noch 
Zeugnis ab von der kurzen Zeit feiner Herrschaft und von hochfliegenden Plänen. Aber bald hatten 
die Ritter vor der Macht der ungarischen Rönige weichen müssen und waren weiter gezogen nach Oft- 
und Weftpreußen und ins Baltikum. Es war eine wende deutscher Geschichte. Die Rolonisation des 
deutschen Ostens fand ihren Mittelpunkt nicht in Siebenbürgen, sondern hoch im vlorden. Dort 
wurde die staatgründende Arbeit getan, ohne die die spätere deutsche Geschichte nicht mehr zu denken ist. 
So wollte es das deutsche Schicksal. In Rönigsberg wurden preußische Rönige gekrönt. Die 
paar Hunderttausend deutschen Bauern im Siebenbürger Land aber blieben ein verlorener volks- 
splitter im fremden Land. Sie wurden treue Untertanen der ungarischen Stephanskrone. Für die 
deutsche Zukunft hatten sie nichts mehr zu besagen, obgleich sie mit Zähigkeit und Rlugheit ihre Sprache 
und ihre Rultur siebenhundert Jahre behaupteten, nicht schlechter als ihre ritterlichen Schicksals¬ 
genossen oben in Preußen, in Rurland und Livland. In ihren von Ringmauern umgebenen Rirchen- 
bürgen und ihren festen Städten trotzten sie den Mongolenstürmen, die über sie hinwegbrauften, 
widerstanden sie den Verheerungen des Rrieges und der Pest. In endloser Geschlechterfolge hielten 
sie sich streng abgesondert von den Rumänen und Ungarn. Ihre Pfarrer, Ärzte und Gelehrten studierten 
in Deutschland. Mit Stolz und würde trug der Bauer die altväterische Bauerntracht, den langschoßigen 
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