3mmer, wenn wir einem neuen Kriegsschauplatz entgegenfuhren, mochte es Flandern oder Serbien,
Rurland oder Galizien fein, hatten wir jenes erregende Gefühl, das gemischt war aus Neugier,
aus Freude an der Veränderung und am Abenteuer und aus einem geheimen Schauder vor dem
Schlachtenschicksal, das unbekannt vor uns stand, dem im Laufe der nächsten Tage oder Wochen
viele unter uns zum Opfer fallen würden. Denn darin waren sich alle Landschaften, in die wir kamen,
gleich, mochten sie sonst noch so verschieden sein: sie waren gierig nach unserem Blut; sie ruhten nicht,
bis sie sich sattgetrunken hatten und bis jeder zehnte oder jeder vierte von uns in ihrer Erde ruhte.
Diesmal nun zogen wir nach Siebenbürgen, in den letzten Winkel zwischen dem Rigaischen Meer¬
busen und der Bucht von Lattaro, der bisher vom Rrieg verschont geblieben war. Bald würden nun
auch hier Städte und Dörfer brennen, Felder zerstampft und Menfchenleiber zerrissen werden. Alles
ging seinen gewohnten Gang. Schon tauchten die bekannten Bilder auf, die jedesmal das nahende
verderben ankündigten: Die Straßen, die aus unserem Versammlungsraum um Rarlsburg am
Maros nach Hermannstadt und Rronstadt führten, bedeckten sich mit endlosen Zügen vor dem Feinde
flüchtender Einwohner, mit Vieh und mit wagen.-
Während wir, gleichgültig geworden und abgestumpft durch die Gewohnheit, die unglücklichen
Menschen an uns vorüberziehen ließen, horchten wir plötzlich auf. Aus dem Gewirr magyarischer
und rumänischer Gprachlaute schlugen uns deutsche Worte entgegen in einer Aussprache, die rein
und klar, wenn auch ein wenig fremd klang. Die Landschaft bekam mit einemmal ein anderes Gesicht,
wenn wir abends ins Quartier kamen, konnten wir meinen, in einem Dorf mitten in Deutschland
zu fein.
Siebenbürgen. — Erinnerungen kamen uns. Merkwürdige Dinge hatten wir in jener endlos weit
zurückliegenden Zeit des Friedens von den Siebenbürger „Sachsen" gehört, die vor mehr als einem
halben Jahrtausend vom Rhein und von der Mosel und aus Hessen nach Ungarn hinübergezogen
waren und unter fremdrassigen Völkern Dörfer und Städte aufgebaut hatten. Damals, im Frühlicht
deutscher Geschichte erlebte die Siebenbürger Landschaft ihre große historische Grunde. Auf der
Heimkehr von Jerusalem hatte der Deutsche Ritterorden unter dem starken Schutz des Hohenstaufen¬
kaisers Friedrich II. hier das schwarze Rreuz auf weißem Feld aufgerichtet. Die Trümmer mächtiger
Burgen in Siebenbürgen und jenseits der Transfylvanischen Alpen in der Walachei legen heute noch
Zeugnis ab von der kurzen Zeit feiner Herrschaft und von hochfliegenden Plänen. Aber bald hatten
die Ritter vor der Macht der ungarischen Rönige weichen müssen und waren weiter gezogen nach Oft-
und Weftpreußen und ins Baltikum. Es war eine wende deutscher Geschichte. Die Rolonisation des
deutschen Ostens fand ihren Mittelpunkt nicht in Siebenbürgen, sondern hoch im vlorden. Dort
wurde die staatgründende Arbeit getan, ohne die die spätere deutsche Geschichte nicht mehr zu denken ist.
So wollte es das deutsche Schicksal. In Rönigsberg wurden preußische Rönige gekrönt. Die
paar Hunderttausend deutschen Bauern im Siebenbürger Land aber blieben ein verlorener volks-
splitter im fremden Land. Sie wurden treue Untertanen der ungarischen Stephanskrone. Für die
deutsche Zukunft hatten sie nichts mehr zu besagen, obgleich sie mit Zähigkeit und Rlugheit ihre Sprache
und ihre Rultur siebenhundert Jahre behaupteten, nicht schlechter als ihre ritterlichen Schicksals¬
genossen oben in Preußen, in Rurland und Livland. In ihren von Ringmauern umgebenen Rirchen-
bürgen und ihren festen Städten trotzten sie den Mongolenstürmen, die über sie hinwegbrauften,
widerstanden sie den Verheerungen des Rrieges und der Pest. In endloser Geschlechterfolge hielten
sie sich streng abgesondert von den Rumänen und Ungarn. Ihre Pfarrer, Ärzte und Gelehrten studierten
in Deutschland. Mit Stolz und würde trug der Bauer die altväterische Bauerntracht, den langschoßigen
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