Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

48 
dem Denken an seine Lage befreit, steckt, nachdem er sich aus 
geschlafen, noch tiefer im Jammer, für die Befreiung seiner selbst, 
seiner Familie, seiner Klasse ist mit dem Rausche nichts getan. Wenn 
auch die. traurige Lage der Massen zum Alkoholgenuß reizt, so 
muß uns doch die wachsende Einsicht dahin bringen, die Nüchternheit 
der Massen anzustreben. Nicht benebelte, sondern nüchterne Gehirne 
sind für den schweren Kampf des Proletariats notwendig! Darum 
ist es jedem Arbeiter an das Herz zu legen, den Lockungen des großen 
Betrügers Alkohol zu widerstehen. Ueberlassen wir es unseren Gegnern, 
sich selbst zu betäuben und am viehischen Rausche zu vergnügen, die 
Arbeiterklasse, der die Zukunft gehört, die der Menschheit eine neue, 
bessere Zeit zu bringen berufen ist, die Arbeiterklasse hat die Bestim 
mung, Apostel eines neuen Reiches auf Erden zu sein und darum 
soll sie niemals der erhabenen Worte Lassalles vergessen: 
„Die hohe weltgeschichtliche Ehre dieser Bestimmung muß alle 
ihre Gedanken in Anspruch nehmen. Es ziemen ihnen nicht mehr die 
Laster der Unterdrückten und die müßigen Zerstreuungen der Gedanken 
losen noch selbst der harmlose Leichtsinn der Unbedeutenden: Sie sind 
der Fels, auf welchem die Kirche der Gegenwart gebaut werden soll!" 
Noch weniger aber geziemen dem Arbeiter die Torheit, dev 
Mutwille und die Laster der Herrschenden! Kein Arbeiter freilich soll 
es dem Pharisäer gleichtun und einen Stein auf denjenigen werfen, 
der sein Elend im Alkohol zu betäuben meint. Er soll auf ihn als 
guter Bruder trauernd den Mantel breiten, auf daß sein Anblick dem 
übermütigen Hohn der Besitzenden entzogen werde und, wenn er wieder 
ernüchtert ist, ihn mit freundlichen, verständigen, aber ernsten Worten 
stützen und seine Seele erfüllen mit jenem Raüsche der Begeisterung 
für die große Sache seiner Klasse, welcher ihn leichter und höher 
emporhebt über das Leiden des Tages als der Fuseldampf! 
Offenkundige Heuchelei 
aber ist es von den Regierungen, wenn sie die Alkoholfeinde 
posieren. Was wollen sie denn, indem sie die Getränke besteuern? 
Sie wollen mehr Steuern und darum: Je mehr getrunken 
wird, desto lieber ist es ihnen! Und das ist die größte Ge 
fahr der Getränkesteuern: Je mehr der Staat aus ihnen zieht, desto 
mehr ist er daran interessiert, daß viel getrunken werde, desto schwerer 
wird er sich dazu entschließen, den Alkoholismus zu bekämpfen! Desto 
mehr werden der Fusel und der Hansel zu Staatsstützen und das 
Trinken zur patriotischen Tat! Dann wird jeder Rausch zur besonders 
eifrigen Steuerleistung, dann bringt jeder Rausch dem Staatsschatz 
viele Kronen. Wer dürfte es dann noch wagen, den Bürger in diesem. 
Geschäfte des Steuerzahlens zu belästigen? Eine zweite Gefahr ist, daß 
das Älksholkaxital 
feine Herrschaft über Staat und Volk noch vergrößert! Ein großer 
und wichtiger Teil der Kapitalistenklasse ist heute schon am Alkohol
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.