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Bienerths, kühner aus: er fügte zur Branntweinsteuer noch die e r-
h ö h te Bi erst euer hinzu? Bevor wir den Plan, wie die neuen
Steuern auf die gähnenden Kassen des Staates und der Länder auf
geteilt werden sollen/den sogenannten F i nanzplan (im V. Abschnitt),
erörtern, wollen wir den Umfang dieser Steuererhöhungen klarlegen.
Wir können dabei nicht alle neuen Steuern bis ins Detail
untersuchen. Die Uebersicht über alle vorgeschlagenen Steuern haben
wir im ersten Abschnitt gegeben. Es kann sein, daß die Regierung
einzelne fallen läßt und durch andere ersetzt, wenn sie im Herbst die
Vorlagen wieder einbringt. Wir beschränken die Detailuntersuchung
auf zwei Steuerarten, welche in jedem Budget heute die erträgnis-.
reichsten sind, welche zugleich den infamen Klassencharakter der Steuern
überhaupt am sichtbarsten beleuchten und welche endlich für die
Arbeiterschaft das höchste Interesse haben: die Getränkesteuern und
die Mietsteuern. Diese zwei Proben werden zur Beurteilung unserer
Finanzpolitik ausreichen.
A.
Die Geträrikestenern im allgemeinen.
Mit schlauem Bedacht wählen heute fast in allen Ländern die
Finanzminister sich eine Art der indirekten Steuern zur Erhöhung:
die Getränkesteuern. Branntwein, Bier und Wein werden bei
jeder Steuererhöhung zuerst ins Auge gefaßt. Denn, so sagen die
Leiter der Finanzen mit heuchlerischer Miene, „trinken' muß
m a n n i ch t, d a s T r i n k e n ist ein Luxus, die Trunk
sucht ein Laster". Sie berufen sich auf die Antialkoholbewegung
und tun so, als ob sie durch die Steuerbelastung der Bevölkerung
das Trinken abgewöhnen wollten: Je höher die Getränkesteuern,
desto besser für das Volk!
Dev Betvügev Alkohol.
Wir Sozialdemokraten sind keine Freunde des Alkohols. Wir
verurteilen nicht nur den Alkoholexzeß, nicht nur die Ausschreitung
des Rausches und im Rausche, die über viele Arbeiterfamilien Un
glück bringt; wir verurteilen auch den Gewohnheitstrunk und die
herrschenden Trinksitten. Denn die Wissenschaft hat erwiesen, daß der
Alkohol in jeder Form, als Schnaps, Likör, Bier oder Wein, auf
den menschlichen Organismus wie ein Gift wirkt, welches, gewohn
heitsmäßig genossen, das Blut zersetzt, die Nerven zerstört, das
Gehirn schwächt, den Magen und noch mehr Leber und Niere krank
haft verändert. Es ist in allen Kreisen der Bevölkerung ein schlimmes
Vorurteil, daß der A l k o h o l st a r k u n d mutig macht.
Die Wissenschaft hat dieses Vorurteil erklärt. Man hat kompagnie
weise die Mannschaft schwere Arbeiten verrichten lassen, abwechselnd
einmal in völlig alkoholfreiem, nüchternem Zustande, das anderemal
nach mäßigem, wieder ein anderesmal nach stärkerem Alkoholgenuß.