Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

37 
Hausbesitzer die höchste Stellung und die größte politische Macht ein, 
ihm folgen die Kapitalsbesitzer, die Leute mit dem mobilen Groß 
kapital, gegen das die Christlichsozialen so gerne donnern, ohne ihm 
jemals weh zu tun, dann erst die übrigen Besitzenden und zuletzt die 
arbeitenden Menschen. So geht es zu in der Welt der politischen 
Macht und der gesellschaftlichen Ehre. Anders aber beim Steuern. 
Bon dem versteuerten Einkommen gehörten im Jahre 1904: 
dem Grundbesitz 7*61 Prozent 
dem Hausbesitz 10 49 „ 
dem Kapitalsvermögen 14 55 „ 
den Unternehmern 28*37 „ 
den Angestellten und Arbeitern 37*66 „ 
Auch bei den Steuerleistungen heißt es also wie im Himmel: 
„Die ersten werden die letzten sein" — beim Zahlen! 
Als was stellt sich also die Steuerreform des Jahres 1896 
dar? Sie ist der gelungene Versuch, den Grundbesitz abermals lastenfrei 
zu halten und allen Besitzern Steuernachlässe zu gewähren auf Kosten 
einer neuen Steuer, die vorwiegend den oberen Schichten des arbei 
tenden Volkes aufgehalst wird. 
Wir haben also 60 Jahre einer infamen Klassenherrschaft der 
Besitzenden hinter uns, einer schamlosen Ausnützung politischer 
Privilegien, um die Steuerlasten von den Reichsten auf die Kleinen 
und von den Kleinen auf die Besitzlosen abzuwälzen. Man muß diese 
60 Jahre Steuerpolitik kennen, um die ganze Niederträchtigkeit der 
Steuerplüne der jetzigen Regierung Bienerth zu erfassen. 
Die Epoche der Verfassungsbrüche im Steuer 
wesen 1899 bis 1998. 
Und doch war diese unsoziale, mittelständlerische Steuerreform 
des Jahres 1896 die letzte, welche mit der Volksvertretung gemacht 
wurde, die letzte, wo der Einfluß des Parlaments die Herren Finanz- 
minister bändigte. Seither, seit 1897, ward das Kurienhaus ein Opfer 
der Obstruktion. Diese Obstruktion hat die arbeitenden Massen 
nicht nur um jede soziale Reform gebracht, sie hat sie mit einer noch 
gewaltigeren Steuerbedrückung heimgesucht, sie ist den Massen des 
Volkes finanziell zum s ch l i m m st en Fluche geworden. Diese Tat 
sache allein muß jedem gewissenhaften Volksvertreter die Obstruktion 
geradezu verbieten! 
Die Reform des Jahres 1896 war, wie gezeigt, kein gerechter 
Ausbau der B e s i tz steuern, sondern ein neuerlicher Zugriff auf die 
Arbeit, aber sie entbehrt doch nicht der finanziellen Geschicklichkeit 
und Sachkunde, die den Ministern Dunajewski, Plener und Steinbach 
nicht abgesprochen werden kann. Seither ist das Finanzministerium 
geleitet von ideen- und grundsatzlosen Männern, welche ohne jeden 
Plan, wie es der Willkür der Uebergangsminister gefüllt, in unserem 
-Steuersystem hausen. Weit entfernt davon, zu begreifen, daß unser
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.