Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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-*) Vergleiche dazu K. Kautsky, Der Weg zur Macht. 
Dies der Kernpunkt, um den sich die Budgetbewilligungsfrage 
drehen muß. 
Ich halte die Fragestellung für falsch. Eine sozialdemokratische 
Fraktion mußte sich doch in einer solchen Situation sagen: Die 
K a r d i n a l f r a g e, die hier entschieden wird, ist die Schule, alle 
anderen hereingeschobenen Fragen sind Mittel zum Zweck: taktische 
Manöver. Erklären sich die Klerikalen etwa mit ihrer Abstimmung 
zu prinzipiellen B u d g e t v er w e i g e r e r n, die sie doch 
nicht sind und nicht sein wollen? Nein! Weder sie.noch wir 
entscheiden hier über ein Prinzip. Auf ein prinziploses taktisches 
Manöver mit einem Prinzip antworten heißt doch offenbar sich zum 
Narren halten lassen. So wenig als sie sich als Budgetverweigerer, be 
kennen wir uns in der Abstimmung als Budgetbewilliger, wir bekennen 
uns offenbat nur die einen als Schulfeinde, die anderen als Schulfreunde. 
Es g i b t p a r l a m e n t a ri s ch e A b stim mu n g e n, die nicht 
s e l b st p r i n z i p i e l l e r N a t u r s i n d, sondern bloße Vorbereitung 
oder Folge prinzipieller Entscheidungen. Eine solche taktische Ab 
stimmung würde von der Sozialdemokratischen Fraktion nicht aus 
sagen, daß sie von nun ab dem bürgerlichen Klassenstaat die Mittel 
zur Unterdrückung des Proletariats bewilligen will, sondern, daß sie 
dem Volke die Schule gesichert hat. 
Weder taktische Zwischenfalle noch auch die lokalen Abwei 
chungen (bei denen sich ja dieser Schulfall mit der Schule zufolge 
des bürgerlichen Lokalcliquenwesens hundertfach wiederholen kann) 
heben den Grundsatz auf, daß die Vertretung des Prole 
tariats dem kapitalistischen Klassen st a a t e das 
G e s a m t b u d g e t nicht bewilligen kann. 
Eine parlamentarische Abstimmungsregel, die aus unseren 
Prinzipien fließt, ist lange noch nicht das oberste Prinzip der 
Sozialdemokratie. Dieses ist: Kampf für die Interessen der Arbeiter 
schaft und damit für die Befreiung der Gesellschaft — ein Ziel, dem 
sich alle Einzelfragen unterzuordnen haben. 
Die sozialistische Finanzpolitik. 
Allerdings sind auf der gegenwärtigenStufe der ökonomischen 
Klassenreife Fälle wie der eben angeführte Schulfall selten. Nicht oft 
wird heute eine proletarische Vertretung in einem Zentralparlament 
in die Lage kommen, soziale Reformmaßregeln aus der Widersprüchen 
der bürgerlichen Klassen „herauszureißen". Der Staatsaufwand dient 
in unserer Zeit ganz anderen Zwecken.*) Gerade dieser Umstand 
stellt dem Proletariat und seinen Vertretungen die a l l e r s ch w e r st e n 
Kämpfe auf finanziellem Gebiet in Aussicht. 
Es gab eine Spanne Zeit, wo die Herrschastsaufwendungen 
insbesondere für Militarismus allmählich hinter den Kulturaus
	        
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