Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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kratische Finanzreform, „Neue Zeit" Nr. 34. Bernstein, Zur 
Reichsfinanzaufbesserung, „Sozialistische Monatshefte", 12. Heft.) 
Als feste Punkte können dabei nur zwei gelten, ein taktischer und ein 
theoretischer; 1. Taktisch stand bisher fest, daß die Sozialdemokraten 
überhaupt keine Steuern, also auch keine direkten, zu votieren 
haben. 2. Theoretisch gilt die p r o g r e s s i v e E i n k o m m e n st e u er 
mit Existenz Minimum als einzig richtige Steuer. 
Irgend eme eingehendere und stichhaltige Erörterung der zwei 
Grundsätze habe ich nirgends gefunden. 
Beantworten lassen sich beide Fragen nur aus der Entwicklung 
der kapitalistischen Produktionsweise selbst, in welche die Steuer eben 
eingreift Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Entwicklung 
nehmen im fortschreitenden Wirtschaftsprozeß Steuern und Staats 
schulden von s e b st? Denn wir können die wirtschaftliche Evolution 
nicht gewaltsam stören und umkehren, wir können sie nur begreifen 
und darnach gestaltend fördern oder hemmen. 
Die Erweiterung und Steigerung des Wirtschuftslebens. 
Die Steuern werden per Jahr bemessen, sie sind aus dem ge 
samten Jahreswertprodukt einer Gesellschaft genommen (siehe 
oben, Seite 7—9), und zwar aus den vier großen Quellen des Ein 
kommens: Lohn, Progt, Zins und Rente. 
Aber in einem Jahre ist das Wirtschaftsleben nicht abgeschlossen. 
Diese Einkommensquellen müssen Jahr für Jahr wieder erneuert oder, 
wie Marx es nennt, reproduziert werden. *) „Sowenig eine 
Gesellschaft aufhören kann, zu konsumieren, so wenig kann sie auf 
hören zu produzieren. In einem stetigen Zusammenhang und dem 
ständigen Fluß seiner Erneuerung betrachtet, ist jeder gesellschaftliche 
Produktionsprozeß daher zugleich Reproduktionsprozeß." (Marx, I, 
Seite 528.) 
Reproduziert werden muß — um ein handgreifliches Beispiel 
zu geben — auch das in den Betrieben als Maschinerie und Rohstoff 
angelegte konstante Kapital, wenn nicht die Fortführung der Pro 
duktion selbst unterbunden werden soll. Wäre eine direkte Steuer, 
etwa eine Extrasteuer auf Fabriken, so exorbitant hoch, daß es dem 
Unternehmer unmöglich wäre, verschlissene Werkzeuge und Maschinen 
zu ersetzen, so könnte sie — bei aller Vorliebe für direkte Steuern — 
nicht forterhoben und nicht bewilligt werden. Ohne genaue Unter 
suchung der Einwirkung der Steuern auf die Reproduktion ist ein 
sicheres Urteil nicht zu gewinnen. 
*) Der Untersuchung, wie denn alle Funktionen des Wirtschaftslebens immer wieder 
erneuert werden, wieso immer wieder neu aus der Produktion die Löhne, die Profite hervor 
gehen, wie sich zugleich der ganze Produktionsapparat, die Maschinerie, im Werte und in 
ihrer Naturform immer wieder herstellt, dieser Untersuchung widmet Karl Marx den dritten 
Abschnitt des zweiten Buches des „Kapitals". Diese Abschnitte sind für die Fiuanzwisfenschaft 
ebenso wichtig als bis heute brachliegend. Im folgenden nur die Hauptgesichtspunkte. 
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