Volltext: Heimat

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Zuweilen stöhnt auch sie auf und manche Träne rollt über ihre 
knochigen Wangen in den Staub. 
Und nun beugt sie sich über den Armen und trocknet seine 
Stirne und seine Hände — und murmelt leise vor sich hin, bald ein 
Gebet, bald einen derben Fluch. . . . 
Die hohläugige Not. — 
Dann geht sie hinaus. Sie will einen Priester holen, obwohl 
er’s nicht haben will. — — — 
Lang schaut er ihr nach. In seinem Auge liegts wie stiller Dank. 
Er wollte sprechen, aber seine Stimme erstickte zu einem unver 
ständlichen Röcheln. 
Als sie draussen war, flammte es in ihm auf. Es schien, als 
wollten die gebrochenen Kräfte erstarken. Seine Hand tappte und 
tastete nach seinem alten, alten Freunde; — dem Leierkasten. 
Und er fing an zu drehen dumpf gurgelten die Töne — 
immer schwächer — immer schwächer — die Hand fiel zu Boden. 
Und wie sie nun so langsam verhallten, musste er an vieles 
denken. — — Träne auf Träne stahl sich aus seinen brechenden 
Augen und sank in den Staub. 
Die Sonne strahlte und funkelte darin, wie in einer gleissenden 
Perle. . . . 
Sein ganzes Leben zog an ihm vorüber — ein blühender 
Mädchenkopf mit so tiefen, tiefen Augen, dass wohl das Glück in 
ihnen ruhen musste .... aber dann kam die wütende verderben 
bringende Schlacht, die ihm sein Glück und seine Träume raubte. — 
Er musste hinaus auf die blutigen Gefilde. 
Er musste! 
Und die Schlacht machte ihn zum Bettler. — — — 
Mit aller Kraft, die noch in seinem siechen Körper war, ballte 
er die Faust — in seine Augen traten die Tränen. — 
Ein bettelnder Krüppel zog er nun mit seinem Spiele umher; 
Tag für Tag, Jahr für Jahr. Und die Kinder jauchzten ihm zu, sangen 
und sprangen um ihn herum . . . und hie und da fiel auch ein Gold 
stück in seinen alten Hut. 
Wurde es Nacht und glühten die Sterne am Himmel auf, dann 
torkelte er, immer still vor sich hingrübelnd, seinem ärmlichen Heim 
zu und weinte, wenn er sein trockenes Stück Brot ass, weinte, bis 
er einschlief.
	        
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