Volltext: Heimat

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»Nein. Ich komme öfter in das Konzert. Aber dass man da 
jetzt einen Gucker für den Paukisten mitnehmen soll, wäre doch das 
Neueste.« 
»Komm mit! Da wirst du einmal was erleben. Ich will dir ein 
mal zeigen, was die echte Kunst und der echte Künstler ist.« 
III. 
Es ist gerade Pause, wie wir kommen. Das Orchester ist leer. 
Lorm geht hastig durch den Saal bis ganz vorn auf die rechte Seite. 
»So,« sagt er dann, »hier ist es gut, hier kannst du es sehen.« 
»Das hab ich aber'auch noch nie gehört, dass man Musik sehen 
soll*« Ich bin schon einmal so, ich muss immer brummen. 
Er wird ungeduldig. »Um Musik handelt es sich auch gar nicht. 
Aber die Kunst sollst du sehen, die wahre Kunst, von der wir alle 
nichts wissen. Ich erkenne es jetzt immer deutlicher. Hier ist mir 
die Binde von den Augen gefallen, wie ich das erstemal den Paukisten 
sah. Es handelt sich in der Kunst gar nicht, was einer schafft, was 
sein Werk auf die anderen wirkt, was er an Schönheit und Kraft 
vermag; es handelt sich bloss, wie viel Freude und Genuss er selber 
dabei hat. Es handelt sich bloss um die Wollust der Schöpfung für 
ihn selbst. Alles andere ist Schwindel. Was ich mühsam zusammen 
schwitze, taugt alles nichts; es macht mir keine Freude. Aber dieser 
Paukist hat die grosse Kunst, denn er ist, während er die Pauke schlägt, 
ganz trunken und schwindlig und aus dem Irdischen entrückt.« 
Und er erzählt mir hastig mit vielen Gesten, indem er den 
dramatischen Eifer des Paukisten mimt, wie er mit ganzer Seele bei 
jedem Takte ist, verzückt die Pausen zählt und die letzten Rätsel 
seiner heimlichsten Seele gibt, wenn er mit dem Schlägel in die 
Trommel fährt. Ich höre es gläubig und mit Andacht. Deswegen 
haben mich die Künstler gern: ich bin bei jeder Narretei. Ich denke 
mir, es gehört zum Geschäft. 
Jetzt kommen die Musiker. Viele scheinen mehr wie Schulmeister. 
Sie haben was Studiertes, Steifes, Preussisches. Sie rücken die Sesseln 
und Pulte, klimpern und stimmen. Lorm bebt ungeduldig und nervös. 
Er kann es gar nicht mehr erwarten. Er trippelt hastig hin und her, 
den Blick gierig auf die Tür. Plötzlich stösst er mich an: »Da ist er! 
Schau!« Und ich schaue, wohin er deutet, und schreie fast: »Sein 
Paukist ist mein Dom Pedro.
	        
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