Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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Vaters einigemal, um zu erfragen, ob Briefe von ihm da feien. Wußte ich nur 
feinen Aufenthaltsort, so konnte ich mir durch ein reuiges Geständnis gewiß Er¬ 
leichterung verschaffen. Aber es kam keine Nachricht von ihm. 
Ich sprach mit meiner Frau, ich erzählte ihr, was geschehen. Die gute brave 
Seele schalt mich tüchtig aus, dann aber wieder wußte sie mir Mut zuzusprechen. 
Ich sollte den Kopf nicht verlieren, sonst sei alles verloren. Und meine Frau hatte 
recht. Ich war nahe daran gewesen, in meiner Herzensangst mein Geschäft zu ver¬ 
nachlässigen. Ging das so weiter, so hätte ich womöglich nicht einmal Deckung für 
meinen gefälschten Wechsel beschaffen können. Das durfte nicht geschehen. Meine 
Frau hatte mich zur rechten Zeit noch aufzurütteln gewußt. 
"NSo ging das einige Wochen bei fleißiger Arbeit fort. Ich suchte im Drange 
der Geschäfte das Gewissen zu betäuben. Da kam eine Katastrophe. Ich ging eines 
Morgens in das Geschäftslokal Ihres Vaters, um mich wiederum zu erkundigen, 
ob noch keineMachricht von ihm da sei und fand das Personal in größter Aufregung. 
Der Prokurist, der am Tage vorher angeblich wegen Unwohlsein gefehlt hatte, 
war verschwunden. Er hatte zahlreiche Effekten zu Geld zu machen gewußt und 
dann das Weite gesucht. Erst am Tage nach seinem Verschwinden hatte man sein 
Verbrechen entdeckt und ihm so einen beträchtlichen Vorschub für seine Flucht gegönnt. 
Einige Tage später traf Ihr Vater ein. Er hatte durch die Zeitung das an 
ihm begangene Verbrechen erfahren und war auf die Schreckensnachricht hin hergeeilt, 
um nun in der Heimat zu er ahmt, daß er durch den Treubruch seines Beamten 
mit einem Schlage ein armer Mann geworden. 
Diese fürchterliche Wahrheit kostete, wie Sie ja wissen, Ihrem Vater das Leben. 
Er starb am Tage nach seiner Rückkehr am Schlagsluß. Ich hatte ihm nicht Mehr 
mein Verbrechen eingestehen können. Ohne Aufschub wurden seine sämtlichen Geschäfts¬ 
bücher von der Behörde mit Beschlag belegt und ich sah mich nun bereits gewiß 
von der Justiz meines Verbrechens halber gefaßt. Meine Angst hatte mich ganz 
kopflos gemacht.
	        
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