Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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werden. Meine teure Gattin führte strenge Aufsicht bei der Arbeit der Mäusever- 
tilauna und verlangte, daß ich die Glasscherben recht tief hmemdruckensollte. Das 
war mein Verhängnis. Beim Verstopfen des dritten Loches — Rücken und Kme 
begannen bedenklich zu schmerzen — fuhr ich plötzlich zurück und von meiner Hand 
sprang ein Blutstrahl fontänenartig empor. — , 
Meine Frau will schon beim Anblick eines einzigen, durch einen Nadelstich 
hervorgerufenen Blutstropfen sterben und so mußte sie in diesem Falle doch wenigstens 
ohnmächtig werden, was sie denn auch gewissenhaft tat. Ich schickte natürlich zum 
Arzt der auch sofort kam. Angesichts meiner Verletzung warf er auf meine Frau 
nur einen kurzen Blick. „Das gibt sich," sagte er lakonisch und wandte sich mir zu, 
eine Rücksichtslosigkeit, die selbst meine Frau aus ihrer tiefen Ohnmacht erweckte. 
— Meine Wunde war lang und tief, sie hatte ein Blutgefäß durchschnitten, daher 
der aufspringende Strahl. — Die Geschichte mußte vernäht werden. 
Ich war verstimmt, ernstlich verstimmt, und in der Nacht konnte ich nicht 
schlafen, denn meine Hand schmerzte unausstehlich. — Da hörte ich plötzlich ein 
Geräusch — kratzend, schabend, knurrend — sollte das die Maus sein? Aber nein, 
das hörte sich denn doch anders an. Ich stand auf und ging dem Schalle nach. 
Hier war es. Das Ohr an die Wand gelegt, tauschte ich und nun ward mir des 
Rätsels Lösung plötzlich klar. m 
Wir wohnen in einem modernen Mietspalast und nach öer üblichen Konstruktion 
ist die Nachbarwohnung von der unsrigen durch eine Wand in der Stärke guten 
Kanzleipapiers getrennt. Nebenan hatte aber der dicke Rentier Huber sein Schlaf¬ 
zimmer und Huber — schnarchte. - Bei meiner herbeigerufenen Frau wäre ich 
mit dieser Beweisführung wohl kaum durchgedrungen, wenn nicht in dem Augenblick, 
da auch sie ihr Ohr an die Wand legte, es drüben ganz deutlich ertönte: „ Aber 
Huber, schnarche doch nicht so, ich kann ja gar nicht schlafen!" — — 
Meine Frau war zunächst starr. Dann fiel sie mir um den Hals, unter Tranen 
flehendlichst Abbitte leistend. Und heute, da meine Hand wieder geheilt, das Bett¬ 
bein angeleimt und das Hühnerauge nicht wiedergekommen ist (die stutzuhr allerdings 
auch nicht), habe ich ihr längst verziehen. 
Der ßochzeilslader. 
Skizze von L. von Reizenhofen. 
er Hubertoni ist nun sonst der flotteste Bursch' im Ort. Seit dem letzten 
Kirchtag ist er aber schier kopfhängerig geworden und wenn ihm eine 
^ Kleinigkeit nicht paßt, wird er gleich suchsteuselwild. Seine Kameraden 
wagen es gar nicht, ihn zu hänseln deswegen, denn er hat es ihnen gleich 
beim erstenmal tüchtig heimgezahlt. Und doch erzählen stchs alle Ortsbewohner, 
daß der „fesche Toni" von der Waldbauern Best sich einen Korb geholt, als 
er sie am Kirtag zum Tanz holen wollte. Er, dem all Dirndln zuflogen, wre 
er selber prahlte. War er doch am Vorabend des Kirtages im Wirtshaus aufge¬ 
sprungen und hatte übermütig gesungen: 
„Dreizehn Derndle liab i, 
Alle sans in an Kranz, 
Wann der Deixel Ane halt, 
Bleibts Dutzend no ganz!"
	        
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