Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1904 (1904)

68 
Unsere Babette hätte morgen zum Zahnarzt gehen sollen, um sich drei Zähne 
ausreißen zu lassen, die ihr Gesicht entstellen. Jetzt ist leider nicht daran zu denken. 
Ohne die drei Zähne wäre sie hübsch genug, um einen Grafen zu heiraten: wer wird 
sie aber wollen, wenn sie die drei häßlichen Zähne behält? Niemand. Wir werden 
sterben und sie allein, ohne Schutz, als eine alte Jungfer in der Welt zurücklassen. 
Aber das ist dir vollkommen einerlei; für dein Kind hast du kein Geld, denn du 
brauchst heute und wahrscheinlich auch morgen und übermorgen und alle Tage fünf 
Gulden, damit du sie deinen Freunden leihen kannst! 
•r n Ea8? ?bm Weber hast du sie geliehen, weil sein Kind krank und er in Not 
tsi? Was geht dich denn das Kind des Weber an? Jst's vielleicht gar dein Kind? 
Du! Du warst immer fo artig, wenn die Weberin kam, glaubst du, ich hab' eure 
heimlichen Blicke nicht gesehen und nicht gehört, wie deine Stimme ganz anders klang, 
wenn du mit ihr sprachst? Du elender Mensch im, nicht einmal davor bin ich sicher, 
daß du nicht — o ich Unglückliche! Hätte ich jemals denken können, daß bu es 
bis zum Ehebrecher Was? „Zu arg" wirb bir bas? Du willst auch noch 
brutal fein mit nur, ich sage bir, Du sollst kein Wort reben ober ich schreie beim 
Fenster hinaus, baß bu mich mißhaubelst und umbringst. Du schüchterst mich nicht 
exn, wenn du auch brüllst. . . . Allerdings, jetzt hast du ganz still gesprochen, aber 
ich kenne diese verbissene, diese höhnische, satanische Gelassenheit, o Gott, was ich 
wegen Dieser schlechten Person, dieser Weberin, auszustehen habe. Ich glaube gar, 
dir ist es nicht recht, daß ich sie beim rechten Namen genannt habe. Du scheinst 
sie also noch vertheidigen zu wollen. Versteht sich, ihr haltet zusammen, um mich 
zu martern, ihr hast du die fünf Gulden zugedacht. Jetzt weiß ich, wie ich daran 
btn, ich durchschaue alles. Schweig' ober ich schrei', was ich kann .... (So also 
bu rechtfertigst btch nicht einmal? Du schweigst? Du bekennst bich fchulbiq? Jana; 
■xSgnaz, btch hat Gott wohl ganz verlassen . . . 
„Somit", sagte Herr Griesmeier in einem Kommentar, ben er dieser ersten 
Gardinenpredigt seiner Frau beifügte, „konnte meine Ursi, bie gute Seele, sich keinen 
©hatt)l kaufen, metne Mädchen mußten aus neue Hüte verzichten, der kleine Hans 
war m Gefahr wegen einer zerbrochenen Fensterscheibe sterben zu müssen; die Feuer 
asiekuranz blieb unerneuert und deshalb stand der ganzen Familie das Verbrennen 
bevor. Außerdem drohte meiner guten Frau der Erstickungstod durch den Rauch 
im Zimmer, während uns eine Maus schlaflos machte und Räuber ausplünderten 
wodurch das Los unserer Babette noch trauriger werden mußte, da sich nach unserer 
gänzlichen Verarmung wegen ihrer drei übereinander stehenden Zähne dem unglück- 
Au Schicksale nner hilf- und schutzlosen alten Jungfer preisgegeben war. Und 
schließlich stehe ich im Sichte der Treulosigkeit. 
Und dies alles, weil ich fünf Gulden ausgeliehen hatte!" 
2. Herr §riesmeitr ist mit einem Freunde in ein Wirtshaus gegangen, was mr Folae 
hat, daß fetne Frau durch den Aabaksgeruch vergiftet wird. 
»Bei Gott ich weiß nicht, wie die Mädchen fo dumm sein können, Frauen 
cv'ffhU s° "kZ5 glaube übrigens, es würde keine heiraten, wenn sie nur die 
wußte, was eine Frau im Ehestand zu leiden hat. Eine arme Frau 
muß sich glücklich schätzen, ttxnn ste wie etn Aschenbrödel am Herde sitzen kann 
wagend der Herr Gemahl m den Kneipen herumzieht, sich voll trinkt und mit lüdet' 
liehen Gesellen die abscheulichsten Lieder singt." 
? v-ift W* niC Wer steht mir dafür, das du nie fingst? . . . Du sagst es 
freilich, weil du weißt, daß ich dich nicht hören kann; aber ich getraue mir m be¬ 
haupten, daß du zu den Ausgelassensten von allen gehörst. 3
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.