Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1904 (1904)

was letzt m fernem Busen Brannte. Gewiß, der lange Holländer hatte Recht, das 
stand außer Zwerfel. Oder leistet denn ein Mensch, der feine gefunden Sinne hat, 
aus freien Stücken achtjährige Sklavendienste? Blöder Tor, der er gewesen! Er 
schlug sich mit der Faust vor die glühende Stirn. 
Und ans feinem Sohn wollte dieser Karl jetzt einen Frömmler machen! Dönhoff 
stöhnte vor Wut. Was ging jenen sein Sohn an? 
Aber er war ja der' Freund seiner Frau! Der Fischer fuhr halb vom Stuhle 
empor, als er dieser höhnischen Worte gedachte. Der Grimm durchraste ihn wie 
fressendes Feuer. 
Dann saß er wi der stundenlang und trank ein Glas nach dem andern, ohne 
ftch nach feinem Schiff ober nach dem Stande des Wassers zu erkundigen. Eine 
neue Gedankenreihe war in ihm aufgetaucht und nahm in voll in Anspruch. 
Er dachte an die Strömung, die bei dem jetzigen Hochwaffer oberhalb ber 
Schleuse, wo fein Kahn lag, senkrecht vom Ufer abtreiben mußte, nach dem Stein¬ 
damm hin, ber sonst das Wasser für die Schleuse sperrte, doch jetzt von den em¬ 
pörten Wogen fußhoch überströmt wurde. 
Der Schiffer tauschte; durch ben heulenden Sturm, der den Regen prasselnd 
wider die Fenster trieb, klang es, wie das dumpfe Rollen fernen Donners zur Be¬ 
stätigung ferner Vermutung. Er nickte befriedigt unb spann feine Gedanken weiter. 
Mußte er nicht ein neues Schiff haben? Das alte zog Wasser wie eine 
Pumpe und hatte fast keinen Wert mehr, war auch von Anfang an zu klein ge¬ 
wesen. Schon längst hatte er einen neuen Kahn kaufen wollen; die Mittel fehlten 
ihm nicht. — 1 ’ 
,®r suhlte in die Tasche unb strich liebkosend über das glatte Fell des wohl- 
gefumen Lederbeutels. Hierbei kam ihm fein Einfchlagmeffer in bie Hand; er zog 
es hervor und ließ die Klinge vorfchnappen, eine fpannlange, blanke, gekrümmte 
Mmge üonjaareäfchärfe, Dönhoff nickte beifällig und ging in die Nacht hinaus. 
Der Wind benahm ihm fast den Athem; er mußte sich ordentlich dawiderlegen, 
unt nicht umgerissen zu werden. Seine Bemühungen, möglichst leise aufzutreten 
waren unnütz, beim bas Brausen bes Sturmes unb bas Rauschen bes wilb ent' 
Porten Wassers verschlangen ihren Klang. Die Finsternis war fast greifbar, unb er 
tastete vorsichtig vor sich hin, bis er ben Rand ber Ufermauer erreicht hatte Hier 
legte er sich flach auf ben Boben und schob sich so weit vor, daß sein Oberkörper 
über dem gurgelnden und brodelnden Abgrund ging; seine Augen, bie sich jetzt an 
bte Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckten die glimmende Laterne des Kahns ein 
paar Klafter vom Ufer. Langsam tastete er nun mit der Hand an ben schlüpfrigen 
moosbewachsenen Steinen ber Borbmauer, bis er ben Strick gefaßt hatte, ein bem 
bat Fahrzeug hing. Mit Genugtuung fühlte er, baß bas Tan senkrecht abstand 
u”b ^ ">?Er durch bie Strömung verzehnfachten Wucht bes Kahnes heftig zitterte. 
»Das reißt beinahe von selbst," buchte er imb trennte bie Leine von bem Rina mit 
erneut haarscharfen Schnitt. „Ich will Dich lehren aus meinem Jungen einen Set- 
aM«?knLr@5feSfIlifterte ^ Mt6IÜti9 UItb £)0rdjte nuf das dumpfe Geräusch bes 
treiben3—^°n ®art§ Schrei: „Heinrich, bas Schiss ist frei — wir 
säuerlich klingt ber Todesruf! Ein Schauder will Heinrich Dönhoff 
uberlaufen, aber das wollüstige Gefühl gestillter Rache kämpft das Granen nieder. 
Noch einen Augenblick bleibt er ruhig, dann haftet er über das Gangbrett ant 
Schleusentor auf dem kleinen dornbewachfenen Felsen im Strom, der die äußere Mauer 
der Schleusenkammer trägt und an den sich das überspülte Wehr anschließt
	        
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