Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1904 (1904)

42 
„Du neidest mir meine Braut, Karl?•" 
Der Gefragte schluchzte und antwortete nicht. 
„9htit,. die Braut könntest Du von mir aus schon stiegen, wenn ihre Mutter 
arm wäre." ^ 
„Dann ist es schurkig, wenn Du sie heiratest. Aber nein, das kann ja nicht 
wahr sein, was Dn sagst; Du liebst sie, Heinrich," „fügte er wie beschwörend hinzu, 
„Du mußt ]te liebelt!" 0 
- .'.Wahre Deine Worte. Du Bürschchen ohne Land und Geld," lautete die 
höhnische Entgegnung. „Ich kann tun, was ich will, und ich lüge auch nicht, beim 
genfer. _ ,^ch habe schon ganz andere Weiber gesehen, wie meine hölzerne Braut, 
so finden^ ^ Schlaf, Du Tränenbart! Ich glaube, ich werde ihn schon 
r3 t einigen Minuten schnarchte Heinrich überlaut; aber Karl lag noch wach, 
als schort der fahle Schein des Morgens durch die Spinnweben des Kamntersensters blickte. 
5. 
„ ^ Die Hochzeit war vorbei; nun würde in acht Lagen der neue Herr in Dönhoffs 
Kotten fernen Einzug halten. ■ ; 11 
, herrschte der Winter mit strengern Szepter; seit Weihnachten lag eine 
£U1 r 5 Ruhr und hie t Heinrichs Kahn in starrer Umarmung, so 
-atz sich das Schiff von den zahlreichen Fahrten im Sommer und Herbit gemächlich 
erholen konnte. Die Wälder litten viel vom Schneebruch, uud nächtlich sprengte die 
Kalte manchen Stamm im Forst, der hin und wieder Wolfsgeheul durchschallte. 
■ Der Ehehimmel des jungen Paares war nicht freundlicher, als der bleigraue 
Wiiiterhiniinel, der fchwerlasteud Tag und Tag ans der erstarrten Erde ruhte. Stina 
und Heinrich gingen noch genau so gleichgültig nebeneiuander her, wie vor der 
Hochzeu. Der Schiffer ^ng zum geheimen Verdruß seiner Frau fast allwöchentlich 
öU,,Franz Schutte^nach Mülheim und blieb schon drei Tage ans, um mürrisch und 
mißlßuntg heimzukehren. ■ 
<v , F’^de immer bleicher und stiller; schweigsam verrichtete er seine Arbeit. 
•fÄ, Gnadenbrot essen " dachte er, „der Bryder soll doch sehen, daß ich schaffe 
und fleißig bin. Es wuroe Gott sei Dank nur noch eine kurze Woche dauern, bis 
sich der Hangstand auslösen mußte. Dann würde er sich bei fremden Leuten ein 
Unterkommen suchen, m? ©a§ würbe sich finden. Früher hätte ihm die Ungewißheit 
keine ruhige Minute gelassen. ,\ei?[ aber war er ein gebrochener Mattn, bei dem es 
sogar nicht vielen Zuredens bedurft hätte, um ihn zu bewegen, wieder in der Zeche 
Arbeit zu nehmen Er hatte schon einmal daran gedacht; die „Wasserschnepfe"' war 
wieder m Betrieb; die Kühle und die Finsternis in der Grube luürdeif ihm wohl 
ffi«'hVr TnS°C 9raUsen' ,e“rT -t^bten ?rtter naher zu sein, und vielleicht auch würde 
als im Licht deS tlges^ ■ 1 m ben Eingeweiden der Erde schneller finden, 
m ’.i; Ä'ö,rI3ön^ff’i '^en ^,c wohl ruhig und ohne Kampf ausgelöscht wie ein 
SvpimV?“ v m Stollen, dem das Del mangelt, wenn nicht ein wenig bedeutendes 
Ctetgii.k.- jemem Leben eine neue Richtung zu geben vermocht hätte. 
r fj « @tinö und Unton den $aa nöer hart (xeüTheiiti* sie fiasten 
Schranke, -ruhen und Tische, Bänke und Stühle und Ackergerät nach Tante Trandchens 
Käufer ein der eme halbe Stunde ruhraufwärts lag. Uebermorgen zog der neue 
c . .^lls sie unt die Dämmn stunde am Herd standen, käm Heinrich. Nachdem er 
den dichtbeschnei! en Pelzmantel abgetoorfen hatte, näherte „er sich dem Fetter. Seine
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.