Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1903 (1903)

„Jcitzt war i halt da um mei Pension." 
St. Petrus hat ihn eingelassen, drum hat er auch nach dem Tode noch ge¬ 
lächelt, der Sepperl Krautsieder! — Und da lassen sich so viele unserer rothen 
Brüder aufhetzen gegen den großen, lieben Gott im Himmel, weil er sich nicht 
kümmere um das arme Volk. Ist denn so ein Gemüth nicht auch ein Himmels¬ 
capital, ein Geschenk der heiligen Religion? — 
Kein Sträglem so veremtfamt ist, 
Daß nicht darauf fährt ein Bicyclist. 
(Es ist kein Berg so steil und krumm, 
(Es kraxeln d'rauf Touristen 'rum. 
Kein Flüßchen ist so schmal und seicht, 
Daß nicht ein Ruderklub darauf streicht. 
Item' Linöd' ist, kein Felsengrat, 
Wo nicht drei Männer spielen Skat. 
Rein Wirthshaus ist so unbeliebt, 
IVo nicht ein Klübchen Regel schiebt. 
Kein Teich, auch wo's nur zweimal friert, 
IVo nicht ein (Eisklub manövriert. 
Kein Wäldchen liegt in stiller Ruh', 
Gleich fmgt's (Quartett: „wer hat Dich, Du 
(Es wird wohl kaum ein Dörfchen sein, 
Das nicht hätt' seinen Turnverein. 
Landpartien zu jeder Zeit, 
Festessen, wo nur Gelegenheit. 
So geht vorbei kein Tag im Jahr 
Ohne solch' Allotria. 
Und doch klagt auf allen Seiten 
Man über schlechte Zeiten. 
Eine wahre Geschichte aus dem Dorfleben von L. P. 
Im Jahre 18 . . erblickte im waldumrahmten Gebirgsdörflein Kinderheim der 
Lenzl das Licht der Welt. Das junge, rüstige Ehepaar, der Franzl und die Liesl, 
die nach Ueberwindung mancher Hindernisse sich fürs Leben gekriegt, freuten sich des lieben 
Kleinen, hegten, pflegten und herzten ihn, wie eben liebende Eltern ihr erstgebornes 
Kind zu hegen pflegen. Als Kleinhäusler — in Kinderheim gibt es Überhaupt nur 
Häusler — suchte der Franzl anfangs auswärts nach Broterwerb. Als Zimmermann 
stand er in unserer schönen Kaiserstadt Wien bei einem Brückenbau und sonst in Arbeit 
Mit dem Lenzl aber schien es auf die Dauer nicht zu gehen. Er schrie halbe 
Nächte aus Leibeskräften; die geplagte Mutter suchte ihn — oft selbst weinend und 
verzagt — mit allen möglichen Mitteln zu stillen. Umsonst! Er schrie, bis er nicht 
mehr konnte. Dann kam der erbarmende Schlaf. Der Vater wurde zu feinem Lenzl 
gerufen. Der kleine Kobold sah ihn mit großen Augen an und weinte nicht mehr. 
Die Mutter hat gesagt: „Das Kind hat nur um den Vater geweint!" Sie bleibt 
dabei und läßt sich's auch heute nicht nehmen. 
Im Frühjahr, Sommer und Herbst wanderte die Liesl hinaus auf Feld, Wiese 
und in den Wald. In den Wald war's freilich nicht weit, denn das Häuschen stand 
umgeben von drei Nachbarn oben am Berge mitten im weiten Walt). Zuerst in den 
Armen, später am Rücken trug sie mit sich — ihren Lenzl. Draußen wurde zwischen 
zwei Bäumchen die Hutsche gemacht; der Lenzl eingehutscht; Mutter und Vögel im 
grünen Tann' sangen das Schlummerlied. Er schlief in würziger, friedlicher Einsam-
	        
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