Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1903 (1903)

Wetter, den Rosenkranz in den dürren Händen, langsam durch die üppigen Felder 
wandeln, noch freudiger in ihre Zukunft blicken. 
Tante Nöre kommt häufig zu Besuch. Sie ist längst wieder im Besitz ihres 
Geldes, welches sie vor Zeiten dem alten Krahkamp gesandt, und welches dann von 
Joseph dazu benutzt wurde, im Auftrage seines Vaters der Kirche den Werth des 
geraubten Gutes zurück zu erstatten. Vielleicht will sie für immer auf dem Heidehof 
bleiben, um den jungen Leuten beim Freien guten Rath zu geben. Denn eine Frau 
fehlt, wie sie klagt, dem Joseph wie auch dem Franz, aber sie hofft, daß diesem 
Mangel bald gesteuert werde. Auch diese Zukunftspläne werden sich wohl verwirklichen. 
Um Gotteslohn 
Original-Erzählung von 3rene ü‘ Hellmuth. 
(Nachdruck verboten.) 
IfHen hub die Abendglocke mit feierlich-ernstem Klang zu läuten an. Die Knechte 
tA und Taglöhner auf dem Felde, die noch beschäftigt waren, die letzten Garben 
des reifen Korns zusammenzubinden, nahmen schweigend ihre Hüte ab, wie es von 
jeher Brauch gewesen, falteten die Hände und sprachen leise ein kurzes Gebet. 
Es war ein ungewöhnlich heißer Tag gewesen und eine drückende, athembe- 
klemmende Schwüle lagerte noch immer auf der ausgedörrten Flur, wo nicht der 
leiseste Windhauch zu spüren war. , ,t 0 
„Was stehst denn da, und gaffst den Himmel an, anstatt zu arbeiten? Eile 
Dich doch, daß wir vor Einbruch der Nacht noch fertig werden!" rief der Bauer 
Klaus Grotter, einem seiner Taglöhner zu, einem schmächtigen, müde aussehenden 
Mann, dem es schon von Weitem anzumerken war, daß eine schwere Sorge auf 
ihm lastete. r, « 
Der Angerufene fuhr bei den polternden Worten fernes Brodherrn erschrocken 
zusammen, nahm aber sofort die unterbrochene Arbeit wieder auf, indem er bekümmert 
und tief aufseufzend erzählte: „Um mein krankes Weib daheim mach' ich mir halt 
gar so viel Sorgen, ich denk' alleweil, sie kanns nimmer recht lang treiben. Der 
Doktor will es mir nicht sagen, er geht nicht 'raus mit der Sprache, aber sein Gesicht 
zeigt nichts Gutes an. Er möcht'mich ja immer vertrösten, und wenn ich ihn frag', 
wie e^ steht, — er ist so ein herzensguter Mann — dann zuckt er die Achseln und 
meint, unser lieber Herrgott, der kann ja Alles, also kann er auch da noch helfen, 
— ja das glaub' ich schon, daß er es kann, — aber - " 
Das Weitere blieb unverständlich. Der Mann fuhr sich mit dem Handrücken 
über die Augen, die ihm feucht geworden waren, unb beschäftigte sich damit, einige 
verstreut umherliegende Aehren zusammenzulesen. 
„Na, gar so schlimm wird's boch nicht sein, Konrad", meinte der Bauer um 
vieles milder, als zuvor. 
Konrad nickte und seufzte wieder: „Was soll ich mit den fünf Kindern anfangen, 
wenn meine Frau nicht mehr gesund wirb? Ich kann nicht zurecht kommen mit ben 
kleinen Würmchen." 
Es war nach unb nach ganz dunkel geworben, unb unter Sachen unb Plaubern 
traten bie Knechte unb Mägbe den Heimweg an. Als Letzter folgte Konrad nach.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.