Viel verhaßt waren dem Volke auch die neuen Gerichte,
bei denen gelehrte Richter nach römischem Rechte die Rechts-
Händel entschieden und dabei auch nicht immer unparteiisch
vorgingen.
Auch die Kirchenhoheit eigneten sich die Fürsten nach dem
römischen Rechte an, setzten Bischöfe und Siebte ein und ab und
wollten die Kirchengüter zum eigenen Vorteile benützen. Dadurch
erhielten bisweilen auch solche Personen kirchliche Aemter, die
gar nicht geistlich gesinnt waren und nur das reiche Kirchen¬
gut bei prunkenden Gastmählern und durch Aufwand mit Dienern,
Pferden, Hunden und Jagdfalken verschwendeten. Manche solche
Kirchenfürsten zogen lieber mit Schwert und Schild in den
Krieg, als daß sie ihr kirchliches Amt ausübten. Selbst Knaben
und Jünglinge erhielten bisweilen vor der Weihe ein oder
mehrere Kirchenämter. So herrschte zu Beginn des 16. Jahr¬
hundertes in Deutschland eine große Gärung und Unzufrieden¬
heit; in anderen Ländern war es ähnlich.' Man sehnte sich
überall nach Reformen, das ist nach Verbesserungen. Darum
schlossen sich anfangs auch viele aus dem gläubigen Volke den
sogenannten Reformatoren Luther, Zwingli und Kalvin an,
weil diese immer beteuerten, daß sie nur die Mißbräuche be¬
seitigen und das kirchliche Leben verbessern wollen.
Statt dessen führten sie aber eine kirchliche Umwälzung
herbei, die fälschlich Reformation (Verbesserung) genannt wird,
und die dann zum bürgerlichen und staatlichen Umstürze aus¬
gebeutet wurde.
Papst Leo X., dem kunstsinnigen Hause der Medicäer in
Florenz entsprossen, ließ zum Ausbau der St. Peterskirche in
Rom allen Gläubigen, die einen Beitrag zu diesem Zwecke
leisten würden, einen Ablaß verkünden. Die ärgerlichen Mi߬
bräuche, welche der Verkünder des päpstlichen Ablasses in Sachsen,
der Dominikanermönch Johann Setzet trieb, bewogen einen
anderen Mönch, den Augustiner Dr. Martin Luther, Professor
der Theologie an der Universität zu Wittenberg, gegen diese
Sache aufzutreten (1517). Er verkündigte 95 Lehrsätze, in
welchen er die Lehre der Kirche vom Ablasse darlegte und den¬
selben auf seine wahre Bedeutung zurückführte. Zwischen Setzet
und Luther entspann sich ein heftiger Streit, den man anfangs