Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Die kleineren Zentren 
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zu erregen. Als Sabbatai Zewi hier vor 1666 den ersten zaghaften 
Versuch machte, als Messias aufzutreten (oben, § 6), gelang es ihm, 
nur einen einzigen verzückten Schwärmer in seinen Bann zu ziehen, 
seinen nachmaügen „Propheten“ und Apostel Nathan Gazati, der sich 
aber gleichfalls genötigt sah, seine Propaganda jenseits der Grenzen 
der Heimat, nach Italien und den Balkanländern, zu verlegen. Jeru 
salem und die anderen palästinensischen Städte waren am wenigsten 
dazu geeignet, als Stützpunkt für eine Propaganda zu dienen, deren 
Spitze sich letzten Endes gegen die türkische Regierung richtete. Aber 
auch das von Jakob Chages geleitete Jerusalemer Rabbinat verhielt sich, 
wie erinnerlich, der messianischen Schwärmerei gegenüber durchaus 
ablehnend. So kam es, daß in denselben Jahren, da in Europa nicht 
allein die Judenheit, sondern sogar ein Teil der Christenheit voll 
Spannung den angekündigten Wunderzeichen aus dem Heiligen Lande 
entgegensah, in Palästina selbst Friedhofsstille herrschte. Es war das 
Land der Armen und Demütigen. Die in Palästina bestehenden Se- 
phardim- und Aschkenasimgemeinden setzten sich zumeist aus altein 
gesessenen, zum Teil auch neu zugewanderten Wallfahrerfamilien 
zusammen, von denen nur wenige aus eigenem Einkommen oder aus 
mitgebrachten Ersparnissen ihren Unterhalt bestreiten konnten. Die 
allermeisten, namentlich die Aschkenasim, wurden von der „Cha- 
lukka“ (Verteilung) erhalten, jenen milden Gaben, die in Europa und 
im Orient zugunsten der für das Wohl der Diaspora betenden Ein 
wohner des Heiligen Landes gesammelt zu werden pflegten. Einen be 
trächtlichen Teil dieser Spenden verschlang indessen die Habgier der 
die Landesbevölkerung brandschatzenden türkischen Paschas, so daß 
für die Notleidenden nur dürftige Reste übrig blieben. Völlig unhalt 
bar war die Lage der auf die öffentliche Fürsorge Angewiesenen in 
den Jahren, da ihre europäischen Wohltäter selbst von Katastrophen, 
von Massenexzessen oder Ausweisungsbefehlen heimgesucht wurden 
und die für das Heilige Land bestimmten Spenden spärlicher zu 
fließen begannen. Die zahlreichen, jahraus jahrein aus Palästina nach 
allen Ländern der Diaspora zum Einsammeln der milden Gaben aus 
ziehenden „Sendboten“ („Meschullachim“, „Schadar“) kehrten denn 
auch nicht selten mit fast leeren Händen heim. Ein solches Bettler 
dasein drückte auf das Gemüt und beraubte die palästinensischen 
Juden all ihrer Tatkraft. Wohl konnten sie um Zion beten, doch 
mußte ihnen jedes aktivere Streben zu seiner Befreiung völlig unver-
	        
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