Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Die Übergangszeit in Deutschland 
der Juden sowie um die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage 
sehr besorgt sei, liege es ihm dennoch fern, ihre Vermehrung begün 
stigen oder ihnen gar verwehrte Gegenden zugänglich machen zu 
wollen. So wurde denn aus dem in verschiedenen Instanzen aufs ein 
gehendste erörterten kaiserlichen Reformvorschlag schließlich ein Do 
kument, das deutlich den Stempel eines Kompromisses an der Stirn 
trug. Der Erlaß wurde im Januar 1782 unter dem Titel „Toleranz 
patent“ veröffentlicht, und zwar in zwei verschiedenen Fassungen, 
von denen die eine für Wien und Österreich, die andere für die von 
den Juden am dichtesten bevölkerten Länder Böhmen und Mähren 
bestimmt war. 
Die angeblich vom Geiste der „Toleranz“ veranlaßte Verordnung 
war schon allein dadurch zur Genüge gekennzeichnet, daß ihre 
ersten Artikel nichts als die Bestätigung von früher her bestehender 
Rechtsbeschränkungen enthielten. So ist z. B. in der für Wien be 
stimmten Version zu lesen: „Unser höchster Wille geht keineswegs 
dahin, der in Wien wohnenden Judenschaft in Beziehung auf die 
äußere Duldung eine Erweiterung zu gewähren, sondern bleibt in Hin 
kunft dabei, daß dieselbe keine eigentliche Gemeinde ausmache . . ., 
daß ihr kein öffentlicher Gottesdienst, keine öffentliche Synagoge 
gestattet werde“ usw. Ebenso hieß es in der Böhmen und Mähren 
betreffenden Fassung, daß die für diese Länder festgesetzte x4nzahl 
der Juden auch künftighin nicht überschritten werden dürfe. Dann 
kommen aber die „Begünstigungen“ an die Reihe: die Juden dürfen 
jede Art Handwerk ausüben und es auch bei christlichen Meistern er 
lernen; gleich den Christen dürfen sie sich als Großhändler betätigen 
sowie Fabriken und Manufakturen mit einer christlichen Belegschaft 
eröffnen; in den von ihnen bewohnten Gegenden (in Böhmen und 
Mähren) stehe ihnen das Recht zu, Grund und Boden zwecks Bearbei 
tung ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe, vor allem „unbearbeitete 
Feldstücke und sogenannte Öden“, in Pacht zu nehmen, wobei ihnen 
die gepachteten Grundstücke im Falle der Taufe als Eigentum zuer 
kannt werden sollten. Ferner wurde es den Juden gestattet, die öffent 
lichen Normalschulen zu besuchen oder unter der Aufsicht der Schul 
behörden eigene Lehranstalten mit dem gleichen Programm zu eröff 
nen. Den Kindern wohlhabender Eltern wurden auch die Hochschulen 
zugänglich gemacht. Zugleich wurde hinsichtlich des Gebrauchs der 
hebräischen und jüdisch-deutschen Sprache und Schrift die Verfügung
	        
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