Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

§ 30. Die Verfolgungen unter den drei Kaiserinnen (1727—1761) 
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ständige jüdische Handelsleute, die ihr im Warenverkauf hätten den 
Rang streitig machen können, vom Leibe halten wollte, zugleich aber 
großes Interesse daran hatte, daß ihre jüdischen Kunden in das 
Land unbehindert zum Wareneinkauf kommen 1 ). Nach dem Be 
kanntwerden des Petersburger Erlasses vom Jahre 1742 wurden da 
her der Rigaer Magistrat und die livländische Gouvernementsverwal 
tung beim Reichssenat darüber vorstellig, daß das hinsichtlich der 
Juden ergangene Einreiseverbot sowohl dem auf den Außenhandel 
angewiesenen Hafenplatz Riga wie auch dem Staatsschatz zum größ 
ten Nachteil gereichen würde: der Möglichkeit beraubt, Kaufaufträge 
durch ihre jüdischen Faktoren in Riga erledigen zu lassen, würden 
sich die polnischen Grundherren und Kaufleute genötigt sehen, in 
Handelsverkehr mit anderen Ländern, namentlich mit Deutschland, 
zu treten, wodurch „der Rigaer Kommerz völlig lahmgelegt werden 
könnte“. 
Die Vorstellungen der Ortsbehörden bewogen den Senat, der Kai 
serin Elisabeth vor Augen zu führen, daß es um der „Entfaltung des 
Kommerzes“ willen sowie zwecks Erhöhung der Staatseinkünfte und 
zur Wahrung der Interessen der in den Grenzgebieten wohnenden 
christlichen Bevölkerung geboten erscheine, den in der Ukraine und 
in Livland laut gewordenen Wünschen Rechnung zu tragen und den 
jüdischen Kaufleuten, wie es ehedem Rechtens war, in die Grenz 
provinzen zum Messebesuch Zutritt zu gewähren. Die überzeugende 
Argumentation des Senats vermochte indessen die eigensinnige und 
von Fanatismus geblendete Kaiserin nicht umzustimmen, und so setzte 
1) Über die damaligen Rechtsverhältnisse der Juden in Riga erfahren wir näheres 
aus dem Schreiben, in dem der Rigaer Magistrat im Dezember 1742 dem Magi 
strat von Königsberg die von diesem hierüber gewünschte Auskunft zuteil werden 
ließ. Aus dem Antwortschreiben ist zu ersehen, daß um jene Zeit „Schutzjuden' 
in Riga nur ganz vereinzelt anzutreffen und daß auch diese nicht befugt waren, 
in der Stadt eine Familie zu begründen. Selbst bestens empfohlene jüdische Kauf- 
leute durften ausschließlich in der Vorstadt, in einer eigens für sie eingerichteten 
Herberge Aufenthalt nehmen. Die Dauer des Aufenthalts war auf höchstens einige 
Wochen, in der Regel auf die Messezeit zwischen dem 20. Juni und dem 10. Juli 
beschränkt, während der die Juden sich auch als Detailhändler betätigen durften. 
Sonst war ihnen allein der Großhandel freigegeben, mit der Beschränkung jedoch, 
daß sie ausschließlich mit den ortsansässigen Bürgern in Geschäftsverkehr treten, 
nur importierte Ware absetzen und nur für den Export bestimmte Ware, wie etwa 
Eisen, Wein, Salz, Spezereien u. dgl. einkaufen durften. Für die Bewilligung des 
Aufenthaltsrechts mußte jeder Jude an den Bürgermeister zwei Reichstaler als 
„Geleitgeld" abführen.
	        
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